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Daniel Glattauer – Gut gegen Nordwind

Emmi und Leo lernen sich per Zufall durch E-Mail kennen. Wie so oft sind es die kleinen Dinge im Leben, die Zufälle, die uns zueinander führen. Bei Emmi und Leo ist es ein einziger Buchstabe. Ein falscher Buchstabe in der E-Mail-Adresse, der Emmis E-Mail bei Leo landen lässt.

Es beginnt als nette Plauderei zwischen den beiden. Mit jeder weiteren Mail kommen sich Emmi und Leo näher. Jede neue Nachricht im Postfach verrät so viel über den anderen, über sein Innerstes, um ihn immer mehr zu mögen. Und sie verrät doch so wenig, um neugierig auf mehr zu machen. Ab wann ist es nicht mehr nur Freundschaft? Der Leser weiss nur das über Emmi, was sie Leo in ihren E-Mails schreibt. Und man weiss nur das über Leo, was er selbst in seinen E-Mails erzählt.

Man plant, sich zu treffen, und traut sich doch nicht. Einmal sind sie im selben Caféhaus, ohne sich zu erkennen zugeben. Ein anderes Mal trifft sich Emmis Freundin in Ihrem Auftrag mit Leo.

Ein Treffen kommt nie Zustande, denn der Ehemann von Emmi, Bernhard, entdeckt diese Korrespondenz, weil Emmi alle Mails ausgedruckt und aufbewahrt hat (!) und liest sie. Er schreibt an Leo und bittet ihn, sich mit Emmi zu treffen, damit er gegen ihn ankämpfen kann. Denn Bernhard weiss, gegen dieses Phantom, dieses Wunschgebilde, ist er ohnmächtig. Er bittet Leo, diese Korrespondenz vor Emmi zu verschweigen. Trotzdem treffen sich Emmi und Leo nicht, denn als Emmi zum vereinbarten Treffpunkt will, nennt ihr Ehemann sie Emmi, statt Emma, das hält sie davon ab, davon zu gehen. Wieder ein verwechseltet Buchstabe?

Über den Autor

*19.Mai 1960 in Wien, lebt und arbeitet immer noch da.

Bis 1985 Studium Pädagogik, Kunstgeschichte.
Seit 1985 Journalist.
Seit 1989 für die Tageszeitung „Der Standard“ tätig.

Bekannt wurde Glattauer vor allem durch seine Kolumnen. Sammlungen seiner besten Kolumnen sind unter „Die Ameisenzählung“ und „Die Vögel brüllen“ erschienen.

Sein Roman „Gut gegen Nordwind“ erschien 2006 und wurde im selben Jahr für den Deutschen Buchpreis nominiert. Das Buch handelt als moderne Form des Briefromans von einer durch Zufall entstandenen E-Mailkorrespondenz zwischen einem alleinstehenden Mann und einer verheirateten Frau. Die Bühnenfassung wurde am 19. September 2007 im Linzer Posthof uraufgeführt.

Diskussion zum Thema

Warum hat Gräfin 6 dieses Buch gewählt? Die Entscheidung fiel ihr schwer, sie wollte aber unbedingt etwas Zeitgemässes. Es ist ein neuer Roman, in einer neuen Form, den neuen Kommunikations-mitteln gerecht. Die Protagonisten treten elektronisch in Verbindung, nähern sich langsam über die Sprache an. Sie las über das Buch sehr viel Positives und Lobendes.

Gräfin 6: Der Stil ist „deutsch und einfach“, sehr unkompliziert. Der Einstieg fand sie witzig, man lernte die Figuren gut kennen. Emmi schien ihr eine Zicke zu sein, Leo fügte sich. Emmi hatte zwar einen Ehemann, verbot Leo aber eine Partnerin, sie war eifersüchtig. Die Dialoge waren unterhaltsam. Der Schluss stimmte für sie. Emmi zog sich zurück, Leo brach den Kontakt ab. Gräfin 6 versprach sich mehr von dieser Geschichte, es war nicht herzerweichend, aber herzig und nett. Eine unmögliche Liebesgeschichte, that’s it.

Gräfin 3: Am Anfang fand sie’s sehr cool, die Idee bestechend, sehr amüsant. Doch später wurde die Geschichte bemühend… ich will ihn treffen, ich will nicht, das war ihr zulange. Das ganze spielt ja in einer kleineren Stadt ab, sie müssten sich doch einfach mal über den Weg laufen. Diese Unglaubwürdigkeit hat sie geärgert. Eine Schmonzette, der Schluss ganz doof. Alles in allem war es witzig zu lesen, aber mehr nicht. Keine Nachhaltigkeit. Ihr fehlten zudem Zusatzinfos zur Tätigkeit von Leo, über dessen Studie als Kommunikationswissenschaftler, hört er damit auf? Er lässt und (und Emmi) daran nicht teilhaben. Sie nimmt Glattauer das Mann-Denken ab, aber das Frau-Denken beherrscht er nicht annähernd so gut.

Gräfin 1: Sie fand das Buch sehr amüsant. Es war mal was ganz Anderes. Gelungen, treffend, spannend, tiefergreifend, wie dieser schriftliche Austausch von zwei Fremden ausgebaut wird. Man kennt sich nicht, erzählt sich sehr viel, aber eigentlich weiss man ja doch nicht. Man ist sich Reflexionspunkt und Rettungsanker. Emmi geht ganz klar per Mail fremd. Das ist die heutige Zeit. (Es könnte ja auch SMS sein) Man fängt was miteinander an, was man eigentlich gar nicht suchte. Die ganze Geschichte sprach sie sehr an. Leo war ruhiger und besonnener, man merkte schon bald, dass er sich in Emmi verliebt hat. Der Schluss war absolut super! Ein rundes Buch von A – Z. Das Buch war aber zu wenig wichtig, um wirklich darüber nachzudenken.

Gräfin 2: Sie hat das Buch an einem einzigen Nachmittag gelesen. Es hat ihr gut gefallen, berührte sie aber nicht weiter, es war nicht nachhaltig. Die Geschichte erschien ihr wie ein Miniatur-Casablanca in die heutige Zeit adaptiert. Die Frau in der Beziehung ist schon vergeben, kann Ehemann aus Pflichtgefühl nicht verlassen, ein grosses Hin und Her mit dem anderen. Der Schluss gefiel ihr ausgezeichnet. Dennoch, das Buch hatte zwischendurch einige Längen, hätte nicht sein müssen, es könnte straffer sein. Die Frau macht doch einen Sprung von der Tochter zur Ehefrau. Sie hatte keine Zeit alleine, um richtig erwachsen zu werden. Deshalb erschien sie im Buch auch so furchtbar pubertär. Hatten Emmi und Bernhard eine gute Beziehung oder eine sexy und spannende Beziehung? Das der „Briefroman“ in E-Mails geschrieben wurde, war eine tolle Idee. Frage: Warum musste Leo als Kommunikationswissenschaftler eigentlich nach Boston?

Gräfin 4: Sie fand auch Gefallen an diesem Buch. Vor allem diesen Hin und Her fand sie eben spannend. Es war spannend bis zum Schluss, (sie erwartete den Ehemann im Zimmer, wo Leo sein sollte) An Emmi fand sie irritierend, dass sie sich als glücklich verheiratet bezeichnet, aber es offensichtlich nicht war. Sie vermisste auch den Kinderwunsch bei Emmi, da sie ja offensichtlich ein Faible für Kinder hatte, da sie den beiden ihres Ehemannes eine gute Stiefmutter war. Die Würze der E-Mails lag im Unbekannten, die verboteneren Früchte sind ja bekanntlich immer die Süssesten. Der Anfang der Geschichte geht auf eine Vertauschung von Buchstaben zurück, das Ende bezog sich wiederumauf eine Buchstabenverwechslung.

Gräfin 5: Sie stimmt den anderen grösstenteils zu. Sie hat das Buch rasch gelesen, mit lauten Lachern zwischendurch, aber trotzdem ohne grosse Lust. Sie bringt nur wenig Verständnis für die Geschichte auf. Vor allem die Verkupplungsversuche von Emmi, als sie Leo mit ihrer Freundin Mia bekanntmacht, sind lästig. Welche Frau schleicht sich da nicht zum Gucken ebenfalls an dieses Tête à tête? Emmi braucht sehr viel Aufmerksamkeit, das schätzt Gräfin 5 auch als Pubertär ein.
Dann stossen ihr aber all die Zufälle auf, die vorkommen. Emmi und Leo wohnen in der gleichen Stadt, sind im gleichen Alter, keiner sieht „schiech“ aus, sie verstehen sich blenden, keiner lügt dem anderen was vor… in welcher virtueller Welt sind wir da gelandet? Warum hat Emmi Leo nicht gegoogelt. Das wäre doch eines der ersten Dinge, die man täte, oder? Noch kurz zum Titel: Als in der Mitte des Buches die Bemerkung mit dem Nordwind fällt, wird dieses Thema penetrant weiterverfolgt. Bis zum Abwinken.
Ansonsten empfand sie die Sprache sehr gewählt, sehr verständlich und intelligent. Man fühlt sich als Leserin für voll genommen.

Zitate

Gräfin 1: S. 106 „Nähe ist nicht die Unterbrechung von Distanz, sondern ihre Überwindung.“

Gräfin 5: S. 107 „Welche Frauen mir gefallen? Frauen, die so aussehen, wie Sie schreiben..“

Gräfin 3: S. 107 „Einziger Nachteil: Vegetarierin, aber muss immer nur sagen: „das ist Tofu“, dann isst sie auch Fleisch.“

Gräfin 2: S. 36 „Die(mailbox) ist geduldig. Dafür müssen sie sich nicht einmal die Zähne putzen. Haben sie übrigens noch welche?

Gräfin 6: S. 89 :“Ich schreibe gerne Emmi. Einmal linker Mittelfinger,zweimal rechter Zeigefinger und zwei Reihen darüber rechter Mittelfinger. EMMI.

Zum Weiterlesen

  • Daniel Glattauer verkündet auf seiner Homepage www.danielglattauer.at dass er an einer Fortsetzung schreibt, die im Frühjahr 2009 erscheinen soll.