Bewertung: 4

Gottfried Keller – Kleider machen Leute

Bewertung: 4 Kronen

 

„Kleider machen Leute“ ist eine Novelle, erstmals 1874 im zweiten Band der Novellensammlung“ Die Leute von Seldwyla“ erschienen. Sie gehört sie zu den bekanntesten Erzählungen der deutschsprachigen Literatur, diente als Vorlage für Filme und Opern und gilt als Musterbeispiel für die Stilrichtung despoetischen Realismus.

Zum Inhalt: Der arme und schüchterne Schneiderlehrling Wenzel Strapinski ist auf der Suche nach einer neuen Anstellung. Im November verlässt er seine Heimatstadt Seldwyla in Richtung des reichen Städtchens Goldach. Obwohl Strapinski nicht viel besitzt, achtet er auf sein Äusseres und seine einzige Garnitur edler Kleider. Als es zu regnen beginnt, wird der Wanderer von einem herrschaftlichen Kutscher mitgenommen.

Rasch erreicht Strapinski so sein Reiseziel. Die Bürger von Goldach empfangen Strapinski ehrenvoll, denn aufgrund seiner Kleider und der Reise mit der luxuriösen Kutsche wird der Schneider fälschlicherweise für einen polnischen Grafen gehalten. Strapinski wird in das Gasthaus ›Zur Waage‹ gebeten, wo der Wirt ihm das beste Essen und das beste Zimmer anbietet. Strapinski hat ein schlechtes Gewissen und möchte die Verwechslung aufklären, doch sein Hunger lässt ihn schweigen. Er geniesst das gute Essen und die Gastfreundschaft.

In der Zwischenzeit gesellt sich die Goldacher Gesellschaft hinzu. Unter anderem trifft Wenzel auf den Buchhalter Melchior Böhni. Bei einem Kartenspiel gelingt es Wenzel Strapinski eine höhere Geldsumme zu gewinnen, mit der er seine Rechnung im Gasthof begleichen kann. Nun hält der Schneider es für die beste Idee, Goldach wieder zu verlassen. Doch als er dem Amtsrat und seiner Tochter Nettchen begegnet, verliebt er sich in das schöne Mädchen. Wenzel und Nettchen kommen sich an diesem Abend näher. Der vermeintliche Graf bemüht sich jetzt um gewählte Worte und herrschaftliches Benehmen.

Die Bürger von Goldach bemerken, dass Strapinski kein Gepäck bei sich hat; sie glauben, der Kutscher hätte es entwendet. Daraufhin erhält Wenzel allerlei Geschenke, darunter Kleidung. Der Schneider lernt schnell sich wie ein Graf zu verhalten und täuscht die Goldacher Bürger weiterhin mit seiner Rolle. Als Wenzel jedoch sein schlechtes Gewissen nicht mehr ertragen kann, setzt er einen Geldbetrag in der Lotterie, um die Stadt zu verlassen und bei einem Gewinn seine Schulden begleichen zu können. Tatsächlich gewinnt er erneut.

Wenzel Strapinski verkündet der Goldacher Gesellschaft, dass er weiterreisen müsse. Nettchen ist sehr traurig darüber, woraufhin Wenzel erneut seine Pläne ändert. Er entscheidet sich zu bleiben und hält um Nettchens Hand an. Der Vater stimmt der Verlobung zu.

Die Verlobungsfeier findet in dem gleichen Gasthaus statt, das auch von einem Maskenzug der Schneider aus Wenzels Heimat Seldwyla aufgesucht wird. Plötzlich sieht sich Wenzel seinem ehemaligen Arbeitgeber gegenüber. Der Schneidermeister legt lautstark offen, dass der vermeintliche polnische Graf bloss ein einfacher Schneidergeselle ist.

Die Goldacher Bürger und insbesondere Nettchen sind enttäuscht vom betrügerischen Verhalten des Hochstaplers Wenzel. Wortlos verlässt dieser die Feierlichkeiten und begibt sich auf den Weg zurück nach Seldwyla. Als er von weitem die Schneidergesellschaft hört, versteckt er sich abseits der Strasse im Schnee, wo er sodann einschläft.

Nettchen beschliesst sich alleine auf die Suche nach Wenzel zu begeben. Als sie ihn schliesslich findet, ist er dem Erfrieren nahe. Sie nimmt Wenzel mit und er erzählt ihr, wie es zu der verheerenden Situation kam, und wie sein Leben wirklich aussieht. Nettchen merkt, dass Wenzels Gefühle für sie echt sind. Sie verzeiht ihm und beide beschliessen trotz des Standesunterschiedes zu heiraten.

In Goldach jedoch glaubt man, dass Wenzel Nettchen entführt hat und man versucht sie zurück zu holen. Vor allem der eifersüchtige Buchhalter Melchior versucht mit allen Mitteln Nettchen für sich zu gewinnen. Erst durch das Einschreiten höherer Ratsherren gelingt es Wenzel und Nettchen ihre Hochzeit zu feiern. Die ersten Jahre verbringen sie mit ihren Kindern in Seldwyla, wo sich Wenzel zu einem wohlhabenden Geschäftsmann entwickelt. Später kehrt das Paar nach Goldach zurück. Hier gehören sie bald zu den angesehensten Familien.

Über den Autor

Gottfried Keller (* 19. Juli 1819 in Zürich; † 15. Juli 1890 in Zürich) war ein Schweizer Dichter und Politiker.

Er wurde in Zürich geboren und wuchs mit der drei Jahre jüngeren Schwester Regula in dieser Stadt auf. Sein Vater starb, als er fünf war an Tuberkulose. Die Mutter heiratete ein zweites Mal, um finanziell abgesichert zu sein. Diese Ehe scheiterte (der Ehemann, der frühere Werkstattchef, verliess sie nach einem Streit).

Gottfried besuchte die „Armenschule“, die Kinder nach den Erziehungserkenntnissen von Heinirch Pestalozzi erzog. Wegen eines Jugendstreiches wurde er von der höheren Schulbildung ausgeschlossen. So trat er eine Lehre an, um Landschaftsmaler zu werden.

1840 gelangte der knapp Einundzwanzigjährige in den Besitz einer kleinen Erbschaft und verwirklichte sein Vorhaben, sich an der Königlichen Akademie der Künste in München weiterzubilden. Er verbrachte zwei Studienjahre in München, von wo er 1842 mittellos in seine Vaterstadt zurückkehrte

Diskussion zum Thema

Gräfin 5: Eine easy-peasy Lektüre. Das war, was sie wollte. Das kriegte sie auch. Keller kann man immer wieder lesen. Und in gut 2 Stunden hatte sie das Büchlein durch. Es ist eine einfache, aktuelle Geschichte. Ist man gut angezogen, wird man immer besser behandelt. Das Schneiderlein bleibt zwar ehrlich, sagt aber auch nichts, um die täuschung aufzuklären. Nettchen steht zu ihm als die Geschichte auffliegt. Das ist in dieser Zeit aussergewöhnlich. Die Geschichte ist von 1880, speilt aber beretis 20 Jahre früher (polnisches war damals aktuell) Sie liest das Buch gern. Es gibt Tempo, durch schnelle, kurze Sätze. Keller ist ein scharfer Beobachter.

Gräfin 4: Die Geschichte ist kurz und bündig. Sie las es in einem Rutsch. Die Wortwahl, der Stil, die amüsanten Stellen gefielen ihr ausserordentlich. Nur Zitate fand sie wenige.

Gräfin 2: Es ist kein Buch, sondern nur eine Geschichte. Sehr altbacken. Es hätte Platz in einer Sammlung. Ein Märchen. Es ist nicht schlecht, aber es riss sie nicht vom Hocker. Der Plot ist schon aktuell, aber sie ist nicht begeistert. Genoss aber die Kürze.

Gräfin 1: Sie hatte am Anfang grad schlechte Gefühle wegen dem Reclam-Verlag. Aber nachher schlug das um und sie wurde nostalgisch. Format ist praktisch. Grundsätzlich mag sie Keller. Aber hier gefiel ihr das moralinsaure Getue auf die Nerven. Sie will nicht lesen, was jemand als Recht oder Unrecht empfindet. Grundsätzlich ist die Geschichte stringent. Die Frauenfigur ist modern, das gefiel ihr.

Gräfin 6: Es war eine Lektüre von damals. Für das Erscheinungsjahr 1876 ist die Geschichte sicher top aktuell. Man wird anhand der Kleider taxiert und eingeteilt. Sie hat das Buch gerne gelesen, es ist herzig, hat Humor und ist vergnüglich. Auch die Sprache gefiel ihr. Gräfin 6 sah sich die Geschichte fast als Film an. Ähnlich wie bei „Drei Nüsse für Aschenbrödel“.

Gräfin 3: Sie konnte es erst fast nicht lesen. Erst das Frauenbild versöhnte sie. Die Geschichte kam ihr sehr viel länger vor, als die wenigen Seiten, die es zu lesen galt. Dennoch packte sie die bildhafte Sprache. (sie verwechselte die Geschichte mit „des kaisern neue Kleider“)

Zitate

Gräfin 4

S. 12 Bald sah Strapinski einen kleinen Wald von Gläsern vor sich, aus welchem der Champagnerkelch wie eine Pappel emporragte.“

Gräfin 2

S. 30 Nehmen sie die Gans, Herr Graf,…““

Gräfin 6

S. 32 Seht, da kommt die Tapferkeit! Wie schön ist die Tüchtigkeit! Die Verbesserlichkeit scheint neu lackiert zu sein und die Sparsamkeit frisch vergoldet.“

Gräfin 5

S. 46 Ich bin nicht ganz so, wie ich scheine!, erwiderte er traurig, ich bin ein armer Narr….“

Gräfin 1

S. 52 doch war sie keineswegs so blöde, dieses Schicksal nicht selbst ein wenig lenken zu wollen; vielmehr fasste sie rasch un keck neue Entschlüsse.“

Bücher

  • Das Fähnlein der sieben Aufrechten

  • Romeo und Julia auf dem Dorfe

  • Die drei gerechten Kammmacher

  • Die missbrauchten Liebesbriefe

  • Die Leute von Seldwyla