Bewertung: 6

Hermann Hesse – Narziss und Goldmund

Bewertung: 6 Kronen

 

Im späten Mittelalter tritt der junge Goldmund als Schüler ins Kloster Mariabronn ein. Er trifft hier auf den sensiblen und intellektuellen Narziss, einen der begabtesten Schüler, der sich für ein asketisches Leben innerhalb der Klostermauern berufen fühlt. Wenngleich Goldmund ein völlig gegensätzlich veranlagter Mensch ist, schliessen die beiden Freundschaft.

Wie der von ihm zutiefst bewunderte Narziss möchte Goldmund Mönch werden. Doch Narziss erkennt, dass sein Freund von verdrängten, gleichwohl mächtigen inneren Trieben bewegt wird, die ihn eher für ein ungebundenes, der Liebe und der Kunst gewidmetes Leben prädestinieren. Er hilft Goldmund dabei, sein Seelenleben zu erforschen und seine inneren Antriebe zu erkennen, und ermutigt ihn, das Kloster zu verlassen.

Goldmund, der nun für lange Strecken allein im Zentrum des Geschehens steht, begibt sich auf eine unstete Wanderschaft. Er erlebt den Zauber der Liebe und des Eros, lernt die Freiheit kennen und schätzen, tötet einen Vagabunden und erkennt eines Tages beim Betrachten eines Marienbilds in einer Kirche, dass er sich zum Künstler berufen fühlt. Beim ehrwürdigen Meister Niklas geht Goldmund in die Lehre und erlernt das Bildhauerhandwerk.

Doch bald zieht es ihn wieder hinaus auf Wanderschaft, und es schliessen sich ihm bald ein Abenteurer und eine Gefährtin an. Nachdem die Pest (angesteckt von einem Vergewaltiger, der von Goldmund getötet wird) seine Geliebte hingerafft hat, will er zu Meister Niklas zurückkehren, doch auch dieser ist inzwischen gestorben. Als Goldmund bei der Verführung der Geliebten des kaiserlichen Statthalters ertappt wird, wird er zum Tode verurteilt. Erst im letzten Moment wird er begnadigt – auf das Einwirken Narziss‘ hin, der mittlerweile Abt geworden war und seinen alten Freund dank seines Einflusses retten kann.

Für kurze Zeit lebt Goldmund nun bei Narziss im Kloster und ist dort als Bildhauer tätig, doch er hält es nicht lange aus und bricht bald wieder auf. Erst sterbenskrank kehrt er zu Narziss ins Kloster zurück, der ihn wie stets voller Liebe aufnimmt. Schliesslich stirbt Goldmund in den Armen seines Freundes.

Narziss und Goldmund ist eines der meistgelesensten deutschen Bücher und wurde in über 30 Sprachen übersetzt.

Über den Autor

Hermann Hesse war Zeit seines Lebens ein Suchender. Nicht nur sein großes dichterisches Werk, das ihm 1946 den Nobelpreis einbrachte, auch sein Lebenslauf legt Zeugnis davon ab. In seiner Geburtsstadt Calw, wo er am 2. Juli 1877 zur Welt kam, verbrachte Hesse im Kreise der Familie seine Jugendjahre, die prägend blieben und an vielen Stellen Eingang in seine Bücher gefunden haben. Maulbronn, Tübingen und Basel waren weitere Lebensstationen. 1904 zog er in ein altes Bauernhaus in Gaienhofen am Bodensee, um fortan als freier Schriftsteller zu leben. 1911 unternahm er eine Indienreise und übersiedelte kurz darauf in die Schweiz, zunächst nach Bern und 1919 schließlich nach Montagnola (Tessin), wo seine reichste Schaffensperiode einsetzte und er 1962 starb. Die Bewältigung von persönlichen Krisen ist einer der Brennpunkte in Hesses Werk, in dem es aber auch um Fragen der Religion und der Politik geht ( http://www.hermann-hesse.de)

Diskussion zum Thema

Warum dieses Buch? Gräfin 5 erklärt, dass sie den Gräfinnen schon immer einmal Hesse aufs Auge drücken wollte. Dieser Autor hat sie in der Jugend sehr begeistert und sie hat mehrere Werke von ihm gelesen. Aber Narziss und Goldmund ist ihr als betörend in Erinnerung.

Gräfin 5: Mit Schrecken musste sie feststellen, dass sie vom Inhalt eigentlich so gut wie nichts mehr wusste. Wie sie erfahren hat, ist sie nicht die Einzige, der es so ging. Kurz und gut, das Buch hat sie von Anfang bis zum Ende erneut gefesselt und begeistert. Ihr gefiel die exzellente, unglaubliche Sprache, diese immense Fabulierlust Hesses, aber auch diese Suche nach Worten. In keinem Satz hat man das Gefühl, dass ein Wort steht, das nicht genau da sein muss oder extra gesucht worden ist, um genau dieses Szene, dieses Gefühl zu beschreiben. Dieses Ringen um Worte hat ihr ausserordentlich gefallen. Sie fand die Charaktere von Narziss und Goldmund spannend gezeichnet, die Entwicklung beider nachvollziehbar. Es faszinierte sie ungemein, dass Hesse seine eigene Persönlichkeit in 2 Protagonisten aufspaltetete, in die eine (Goldmund) wie er sein möchte, und in die andere (Narziss) wie er wahrgenomen wird. Als nicht visueller Typ lebte sie in der Geschichte. Wichtige Charaktere sind intensiv und umfassend dargestellt, andere wiederum, die Goldmund im vorbeigehen erlebt, werden nur in wenigen Worten beschrieben. (Blasse Figuren bleiben blass in der Beschreibung)

Frage: Warum beginnen die wichtigen Frauen in Goldmunds Leben mit einem L? Lisa, Lisbeth, Lydia, Lene?

Gräfin 1: Sie zögerte leicht, das Buch zu beginnen. „Siddharta“ ist ihr unvergessen, das hat ihr nicht wirklich gefallen damals, mit 20. Nun war sie aber ganz begeistert von Hermann Hesse, Narziss und Goldmund gefielen ihr total. Die Entwicklung der Geschichte war für sie stimmig. Sie fand es lesenswert, hat sie auch berührt, mit dem Schluss ist sie einigermassen einverstanden.

Gräfin 2: Auch sie hat früher mal Siddharta gelesen (Ihr hat’s aber gefallen). Auch Narziss und Goldmund hatte sie bereits einmal gelesen, der Schlusssatz ist ihr brennend in Erinnerung geblieben, der Rest war wie bei Gräfin 5 ein wenig verschüttet. Die Sprache gefiel ihr ebenfalls extrem gut, empfand es aber immer eine wenig am Rande des Kitschs. Einzig mit der Figur der Rebekka hatte sie ein wenig Mühe. (Laut Gräfin 5 ist dies aber ein politisches Statement von Hesse, der damit gegen die Judenverfolgung der Nationalsozialisten Stellung bezog) Goldmund lebt ihrer Ansicht nach ein schnelles, gefährliches Leben, es bleibt nichts von ihm zurück. Narziss jedoch hinterlässt mit Bestimmtheit eine Lücke im Kloster, wenn er nicht mehr da ist, denn er hat aufgebaut und weitergegeben.

Gräfin 4: Sie hat vorher nie Hesse gelesen. Ihr gefiel vor allem der erste Teil des Buches, der im Kloster spielt, ausgezeichnet. Sie kannte das Leben im Kloster von einer Verwandten, war als Jugendliche sehr fasziniert davon. Sie war für drei Wochen dort im Kloster und diese Ruhe und Zufriedenheit fand sie nun im Text wieder. Die beiden Charaktere gefielen ihr. Sie hatte für beide Verständnis. Sie konnte nachvollziehen, dass Narziss sich ins Klosterleben eingeben will, aber auch Goldmund, der in die Welt und zu den Menschen hinaus wollte. Sie findet, dass beide ein erfülltes Leben führten, auch Goldmund, obwohl er keine wirkliche Lücke hinterlässt. So fehlt er doch seinem Freund, der nun keine Ergänzung mehr hat, der zurückbleibt und für Gespräche und Austausch nicht mehr da ist. Am Ende des Buches finden „Ying und Yang“ zusammen zu einem Ganzen. Erst zurück im Kloster sind beide im Leben angekommen und erfüllen und inspirieren sich gegenseitig.

Ihr fehlten im Buch einzig genauere Landschaftsbeschreibungen. Sie wusste nie, wo sich Goldmund herumtreibt, wie die Gegend aussieht. (Einwand Gräfin 5: Wusste er das selber überhaupt? Ihr schien es immer, als nehme er nicht wahr, als treffe er einfach Menschen, ihm war es nicht wichtig, wo er sich befand.)

Gräfin 6: Sie kann sich vielen Äusserungen anschliessen. Sie hat das Buch gern gelesen, es war in einer wunderbaren Sprache abgefasst. Die beiden Protagonisten wurden von Hesse mit gleichviel Liebe gezeichnet. Beide waren ihr sympathisch. Das Tempo das Buches war allzeit angenehm, etwas gemächlich, aber das passt ja zu dieser Zeit. Die Geschichte hat sie berührt und sie konnte sich darin vertiefen, aber es ging ihr nicht extrem ans Herz.

Gräfin 3: Auch sie hat das Buch in jungen Jahren bereits einmal gelesen. Sie wusste aber nur noch, dass es Herz-Schmerz war, den Inhalt hatte sie vergessen. Jedoch dachte sie immer mit Entzücken an das Buch zurück und erklärte jeweils mit verklärtem Blick, dass ihr das Buch extrem gefallen habe. Diesmal empfand sie den Einstieg als schwierig, ja stellenweise sogar langweilig. Sie hatte schon fast Angst, dass wieder so eine schöne Jugenderinnerung als Enttäuschung endet. Sie glaubte Hesse nicht alles und zitiert eine Stelle, bei der ihr nur „blabla“ einfällt. Im Alter von 18 zerfloss sie vor Ehrfurcht beim Lesen, jetzt im „Alter“…sieht sie Vieles anders.

Als Goldmund das Kloster verliess und auf seinem Weg war, machte das Lesen richtig Spass. Sie erkannte, dass es Hesse um die Suche nach dem Ausgleich geht, sie konnte das nachvollziehen. Der Ausgleich zwischen männlich und weiblich, gut und böse, das ist wichtig.

Narziss kriegt weniger Zeit, weil er die Suche eher beendet. Er schickt Goldmund in die Welt hinaus, weg von sich, obwohl er weiss, dass er ihn schrecklich vermissen wird. Er schickt ihn weg, damit dieser zu sich selbt findet. Goldmund sieht in der Folge Lust und Schmerz, Liebe und Tod als Einheit. Er suchte und fand. Dies gipfelte in seinem grossen Kunstwerk. So kann er in den Tod gehen. Narziss kann gar nicht sterben, ihrer Meinung nach, weil er sich noch auf die Suche machen muss. Das kann er jetzt, das Goldmund tot ist, jetzt geht auch er auf den Weg. Denn in Goldmund sah er seinen Stellvertreter, der für ihn in die Welt hinaus geht. Als junger Mann dachte er bereits, er sei angekommen. Aber nein, Goldmund kommt zurück und belehrt ihn eines Besseren. Goldmund hinterlässt sehr wohl etwas, vielleicht keine grosse Lücke, aber seine Kunstwerke, seine Schöpfungen. Dies ist der Ausdruck seiner Erlebnisse, die Quintessenz seines Lebens. Er gebiert die; er ist die Mutter. Narziss; sein Inhalt ist das Kloster, er schaut dort zum Rechten, er ist der Vater. Sie findet das Ende ungerecht, dieser Kick ans Bein für Narziss.

Zitate

Gräfin 5: S. 262 „…nirgends war Einatmen und Ausatmen, Mannsein und Weibsein, Freiheit und Ordnund, Trieb und Geist gleichzeitig zu erleben, immer musste man das eine mit dem Verlust des anderen bezahlen, und immer war das eine so wichtig und begehrenswert wie das andere.“

Gräfin 1: S. 40 „…unsere Freundschaft hat überhaupt kein anderes Ziel und keinen anderen Sinn, als dir zu zeigen, wie vollkommen ungleich du mir bist.“

Gräfin 2: S. 331 „Ohne Mutter kann man nicht lieben. Ohne Mutter kann man nicht sterben.“

Gräfin 4: S. 309 „ Es gibt den Frieden, gewiss, aber nicht einer, der dauernd in uns wohnt..“

Gräfin 6: S. 205 „…Jedes Leben wird ja erst durch Spaltung und Widerspruch reich und blühend. Was wäre Vernunft und Nüchternheit ohne das Wissen vom Rausch, was wäre Sinnenlust, wenn nicht der Tod hinter ihr stünde, und was wäre Liebe ohne die ewige Todfeindschaft der Geschlechter?“

Gräfin 3: S. 262 „Die Frauen hatten es hierin vielleicht leichter. Bei ihnen hatte die Natur es so geschaffen, dass von selbst die Lust ihre Frucht trug und aus dem Liebesglück das Kind wurde. Beim Manne war statt dieser einfachen Fruchtbarkeit die ewige Sehnsucht da. War der Gott, der alles so geschaffen hatte, denn böse oder feindselig, lachte er schadenfroh über seine eigene Schöpfung?“

Zum Weiterlesen

– Der Steppenwolf

– Unterm Rad

– Das Glasperlenspiel

– Demian

– Siddharta