Bewertung: 4

Jose Luis Sampedro – Das etruskische Lächeln

Bewertung: 4 Kronen

 

Der alte urwüchsige Bauer Rancone als mächtige Männergestalt, ein Patriarch kommt aus dem mit Traditionen verbunden Süden Italien zu seinem Sohn und dessen Familie in Mailand zu wohnen. Er soll sich dort von seinem Krebsleiden im Bauch kurieren lassen.

Da lebt er also im selben Haushalt, freundet sich sehr mit dem kleinen Enkel „Brunettino“ an und tut sich schwer mit seiner emanzipierten Schwiegertochter Andrea. Doch durch seinen Enkel lernt er nach und nach sein Leben neu zu sehen und anders zu erleben. Er fühlt sich als Beschützer dieses zarten Kinderlebens. Salvatore erfährt auch durch die Witwe Hortensia die Liebe zwischen Frau und Mann neu. Er macht allerhand Entdeckungen, die ein Mann in seinem Alter nicht mehr zu machen hofft.

Die Welt verwandelt sich für ihn und er verwandelt die Welt. So darf er kurz vor seinem Tod die wahre Schönheit des Lebens erfahren und erkennt, dass ein lächeln selbst den Tod überdauert, wenn man wirklich gelebt hat.

Zum Autor

José Luis Sampedro Saez wurde 1917 in Barcelona als Sohn eines kubanischen Vaters und einer algerischen Mutter geboren. Verbrachte seine Kindheit in Tanger/Marokko. Er studierte Politik und Wirtschaftswissenschaften, und lebt in Madrid.

Seit 1990 ist er Mitglied er Real Academia Española. Er ist einer der wichtigsten spanischen Schriftsteller der Gegenwart.

Kritik

Die Gräfinnen legen gleich richtig los, und wie in letzter Zeit oft, gleich mal mit etwas Kritik zum Aufwärmen: Das Titelbild des Buches stimmt nicht mit dem Titel überein. Wer hat das wohl ausgewählt und warum?

Dann wurde über die Namen in der Geschichte diskutiert. Nomen est omen! Brunettino, der kleine Enkel von Salvatore ist zweimal verkleinert, doppelter Diminutiv, um seine Zartheit, Kleinheit und Unschuld zu beweisen?

Salvatore Roncone kalabrischer Bauer und ehemaliger Widerstandskämpfer(Deckname Bruno) aus Roccasera (Kalabrien)
Renato Sohn von Salvatore und Vater von Bruno(lebt in Milano)
Andrea Schwiegertochter + Ehefrau von Renato (Uniprofessorin)[i/]
Bruno Enkelsohn (Brunettino)
Hortensia Meli 2. Frau von Salvatore (lebt in Milano)
Rosa Roncone verstorbene Ehefrau von Salvatore
Francesco Sohn (lebt in New York)
Rosetta + Nino Tochter und Schwiegersohn (leben in Roccasera)
Valerio Ferlini Unistudent und Freund in Milano
Prof. Dallanotte behandelnder Arzt in Milano
Ambrosio Partisanenfreund aus Roccasera
Cantanotte Erzfeind und Faschist aus Roccasera
Salvinia Müllerin und Geliebte von Salvatore
Dunka Widerstandskämpferin und Geliebte von Salvatore
Rusca Frettchen und Kosename für Krebs von Salvatore

Die Schwiegertochter heisst Andrea, was im italienischen ein Männername ist. Will er damit auf die Emanze anspielen, das Mannsweib oder soll der Name zeigen, dass diese Frau eine Fremde, ein Eindringling ist? Ungeliebt, nicht gewollt (von Salvatore) Andrea = die Fremde. Die Namen nervten alle der Gräfinnen (vor allem der Männername Andrea, und dass diese Frau so schlecht rüber kam fand sie mühsam) Für eine der Gräfinnen war Andrea die einzig wirklich „echte“ Person im Buch, mit der sie sich identifizieren konnte. Im Buch fanden sich viele starke Frauen.

Der Grossvater war ihr zu stereotyp. Die Liebesgeschichte mit Hortensia fanden die meisten der Gräfinnen etwas unglaubwürdig, bis auf eine, die davon sehr berührt war. Man glaubt Bruno, dass er gelernt hat, dass er nicht alles richtig gemacht hat. Er akzeptierte seine Weiblichkeit. Er ist einen weiten Weg gegangen und heute kann er geniessen.

Die Personen sind den Gräfinnen nicht ans Herz gewachsen, man steht immer aussen vor: viele Gedanken, Personenbeschreibungen durch Gedanken. Eine Frau hätte das ganz anderes geschrieben.

Aber es war mal eine andere Thematik, mal nicht Schema F. Der Umgang des Autors mit der Krankheit, dass er den Protagonisten die Krankheit einen Namen geben lässt, dass er kein Selbstmitleid hatte, wie er die Schmerzen, die Krankheit heroisch, machohaft ertragen hat, gefiel allen. Salvatore war nie verbittert, er akzeptierte die Krankheit.

Der Autor hat bestens über die Krankheit recherchiert und auf aufgezeigt, wie und was sich beim Menschen verändern kann.

Schöne Details zu finden bereitite einigen de Gräfinnen Mühe. Doch die Uni-Geschichte, wo Salvatore meint, den Professor und die Studenten reinzulegen, hat sie köstlich amüsiert. Einige andere Stellen waren schon gut, die traditionellen Sachen und Metaphern fanden fast alle stark. Der Schluss haperte (wie so oft bei Büchern) geht nicht auf.

Stil
Kritik auch am Aufbau und Stil, denn es war schwierig in des Buch reinzukommen. Doch beim Weiterlesen fand sie es eigentlich nicht so schlecht – aber halt auch nicht interessant oder/und spannend. Kalabrien ist ihr zu klischeehaft dargestellt. Sonst meint sie, das Buch sei flüssig geschrieben, die Sprache gut und verständlich. Vor allem etwas für jemand, der Mühe hat, wenn es kompliziert wird, aber doch nicht Trivialliteratur zu sich nehmen möchte. Wie kommt der Autor (als Spanier mit afrikanischen Wurzeln) auf die Idee, ein Buch über Italien zu schreiben? Viel Schulwissen des Autors ist in diesem Roman verarbeitet worden. Aber die Figuren, die südländischen Ausdrücke wirken wie aus einem anderen Buch abgeschrieben.

Zitate
1: Bild vom Baum 3x S. 48 / S.141 / S.253

2: S. 65 Trotzdem war er froh, dass sie ununterbrochen redete, so brauchte er sich wenigstens nicht mit ihr zu unterhalten.

3: S. 133 Der Alte sitzt auf dem Teppichboden und geniesst diese Welt. Er hütet diesen Traum wie damals seine Herde: einsame Vollkommenheit, langsame Aufeinanderfolge ewiger Augenblicke.

4: S. 141 Auf die schlafenden Lippen des Alten hat sich ein Lächeln gesenkt, wie ein Schmetterling, ein Gedanke, der sein Herz schneller schlagen liess als der Schlaf ihn überwältigte: Grossartig, das Leben!

4: S. 34 Soeben ist eine Frau hineingegangen, die aussah, als verstünde sie etwas vom einkaufen.

Zum Buch

ISBN: 3-442-45621-5
Erschienen bei: GOLDMANN
Reihe:Goldmann Taschenbücher Bd.45621
Erscheinungstermin:04.2004
Einband: kartoniert/broschiert 18,5 cm
Seiten: 350
Kosten: Fr. 16.50