Bewertung: 4

Joseph Roth – Hotel Savoy

Bewertung: 4 Kronen

 

Als Kriegsheimkehrer, quartiert sich Gabriel Dan auf seinem Heimweg in den Westen im Hotel Savoy (Lodz, Polen) ein. Das Hotel ist ein riesiger Kasten; je weiter oben man wohnt, desto billiger werden die Zimmer. Dan versucht Geld von seinem reichen Onkel Phöbius Böhlaug für die restliche Heimreise zu bekommen, dieser speist ihn aber nur mit einem billigen Anzug ab.

Im Hotel fürchten sich die Gäste vor dem Hoteldirektor Kalguropulus, welcher Notizen an die Tür heftet, aber nie körperlich in Erscheinung tritt. Der alte Liftboy Ignatz hingegen, leiht allen Geld, indem er ihre Koffer pfändet. Diejenigen die keinen Koffer mehr haben, müssen gehen, ausser sie sind weiblich und jung, dann müssen sie in der Hotel Bar nackt tanzen.

Im Zimmer über Gabriel wohnt die junge Varieté-Tänzerin Stasia, in die sich Gabriel verliebt. Sein Nebenbuhler ist allerdings sein Cousin Alexander Böhlaug, der sich auch im Savoy einquartiert. Obwohl Stasia in Gabriel zu Beginn verliebt ist, gibt sie ihre Gunst Alexander.

Eine weitere wichtige Person ist der Fabrikant Herr Neuner, der ein regelmässiger Gast in der Hotel-Bar im Savoy ist und eine Borstenreinigungsfabrik besitzt. Die Arbeiter der Fabrik haben sehr schlechte Arbeitsbedingungen und sterben früh an Lungenbluten (Tuberkulose). Sie beginnen sich zu formieren und streiken.

Zwonimir, ein Soldaten-Freund von Gabriel kehrt auch zurück und wird von Gabriel in seinem Zimmer aufgenommen. Die beiden finden Arbeit auf dem Güterbahnhof. Es kommen immer mehr Kriegsheimkehrer in der Stadt an und die Lage der Mittellosen ist hoffnungslos. Zwonimir mischt sich unter die Unzufriedenen und wiegelt das Volk zum Widerstand auf.

Die Rettung aus der wirtschaftlichen Miesere scheint der Besuch von Henry Bloomfield zu sein. Er ist ein amerikanischer Milliardär, der seine Heimatstadt und das Grab seines Vaters besuchen will. Kurz bevor die Revolte los bricht, verlässt er die Stadt wieder.

Als die Revolte losbricht, fliegt eine Handgranate in die Hotellobby und tötet den Portier. Die Arbeiten sind auf der Suche nach Fabrikant Neuner. Der Mobb brennt sein Haus nieder und Neuner muss mit seine Familie fliehen. Das Hotel wird von den Revoltierenden belagert. Das Militär erhält Verstärkung, das Savoy wird belagt und die letzten Gäste bringen sich in Sicherheit. Als ein Feuer ausbricht, sterben allerdings Hirsch Fisch und Ignatz und es stellt sich heraus, dass dieser der Hoteldirektor war. Zwonimir ist verschwunden. Dan tritt die Heimreise per Zug zusammen mit Abel Ganz an.

Figuren:

  • Gabriel Dan: Kriegs-Heimkehrer
  • Zwonimir Pansin: Freund von Gabriel, Kriegs-Heimkehrer
  • Phöbius Böhlaug: Gabriels Onkel
  • Alexander Böhlaug: Sohn von Phöbus
  • Stasia: Varieté-Tänzerin
  • Ignatz: Liftboy, alias Kaleguropulos, Besitzer des Savoys
  • Henry Bloomfield: amerikanischer Milliardär
  • Herr Neumann: Fabrikant
  • Hirsch Fisch: Militärarzt
  • Abel Ganz: Souffleur und Bekannter von Phöbus Böhlaug

Über den Autor

Joseph Roth wurde nur 46 Jahre alt. Seine Lebensgeschichte ist bewegend. Der Vater verliess die Familie, er war psychisch angeschlagen, geisterkrank, Das galt damals als grosser Makel, auch für die Familie. Joseph Roth hatte immer eine enge Beziehung zu Wien. Den 1. Weltkrieg erlebte er als Freiwilliger im Pressedienst. (Er war Anfang 20). Seine Frau, die er mit 28 heiratete, erkrankte 6 Jahre später an Schizophrenie. Roth hatte zahlreiche, verschiedene Anstellungen, hielt es nirgends lang aus. War aber immer als Journalist tätig. Erst später begann er mit der Schriftstellerei. Er war eine unruhige Persönlichkeit.

1894 Geboren am 2. September im galizischen Brody (heute Ukraine, ehem. Österreichisches –Ungarisches-Reich) wächst er bei Mutter und Grossvater auf. Vater nicht anwesend.

1913 Studium der Germanistik und Philosophie an der Universität in Lemberg

1914 Wechsel an die Universität in Wien, er studiert dort die gleichen Fächer

Wird zu Beginn des 1. Weltkrieges als untauglich befunden

Er meldet sich 1916 freiwillig als Soldat und dient in Galizien und in Wien bei der militärischen Pressestelle, am Ende des Krieges ist er in russischer Gefangenschaft

1922 heiratet er Friederike Reicher in Wien

1925 Roth geht nach Wien für die „Frankfurter Zeitung“, muss den Posten aber ein Jahr später wieder abgeben. Als Entschädigung kann er eine Reise durch Russland antreten und schreibt Reiseberichte

1928 Seine Frau erkrankt an Schizophrenie und wird in eine Anstalt eingewiesen (1940 wird sie von den Nazis ermordet) Roth hat in den folgenden Jahren verschiedene Beziehungen

1930 Veröffentlichung seines erfolgreichsten Buches „Hiob. Roman eines einfachen Mannes“

1932 Veröffentlichung seines Meisterwerkes „Radetzkymarsch“

1933 Emigration nach Paris

1938 Roth besucht zum letzten Mal Österreich, vor dem Zusammenschluss

1939 „Die Legende vom heiligen Trinker und die Artikelserie „Schwarz-Gelbes Tagebuch“ erscheinen

Am 23. Mai hat Roth einen Zusammenbruch, angeblich, nachdem vom Selbstmord von Ernst Tollers erfährt, stirbt am 27. Mai in einem Pariser Armenspital an den Folgen seiner Alkoholabhängigkeit und an einer Lungenentzündung.

Diskussion zum Thema

Gräfin 1 erklärt, warum sie sich für dieses Buch entschieden hat. Joseph Roth (nicht zu verwechseln mit Eugen Roth) war einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller jüngerer Zeit. „Die Legende des heiligen Trinkers“ ist sein Meisterwerk. Roth hat viel geschrieben, aber nie einfach Kost verfasst. Sprachlich ist er faszinierend, stilistisch wunderbar. Er hatte wirklich was auf dem Kasten.

Gräfin 1: Das Buch begeisterte sie. Es ist ein dichtes, enges Buch. Der Ort und die Handlung sind sehr begrenzt. Sie hat die Geschichte mit viel Lust und Tempo gelesen. Es war mal wieder ein nicht übersetztes, sondern ein original deutsches Buch. Sie hatte grosse Freude an dem Buch obwohl es traurig, tragisch und überhaupt nicht einfach war. Das Ende ist zwar offen, er geht einfach in den Zug und man weiss nicht wieso und wohin.

Gräfin 5: Lange hat sie das Buch liegen lassen. Die Geschichte reizte sie nicht. zudem hatte sie erst grad „Süss und ehrenvoll“ gelesen, auch ein Buch, das im 1. Weltkrieg spielt. Ein Vergleich kann da nicht gezogen werden.

Die fand Hotel Savoy sehr knorzig und nur schwer zugänglich. Nach einem Drittel begann sie, das Ganze als Regieanweisungen zu deuten. Sie schaute sich nun den Film an und las nicht mehr nur das Buch. Oftmals war sie erschlagen von all den vielen Adjektiven. Diesen Stil mag sie gar nicht. Sie konnte sich kaum mehr auf die Geschichte konzentrieren, weil sie diese Häufungen ausblenden musste. Gräfin 5 wusste nicht, dass es im 1. WK schon deutsche Gefangenen in Russland gab und somit Kriegsheimkehrer. Das war ein spannender Aspekt. Aber das Buch würde sie nicht unbedingt weiterempfehlen. Die Sprache ist gut, Joseph Roths Stil gefällt ihr aber nicht. Das Buch wäre schön, um verfilmt zu sehen, aber als Lesestoff hat es sie nicht angesprochen.

Gräfin 4: Sie kam von Beginn weg nicht in die Geschichte hinein. Was will der Autor eigentlich erzählen? Wo fängt die Story an? Die Abschnitte im Einzelnen sind ansprechend, gut beschrieben. Aber wohin soll die Geschichte gehen? Worum geht es eigentlich? Erst als Bloomfield erschien, kam das Ganze in Fahrt. Vom Schluss war sie nicht überrascht. Trotzdem hatte sie am Ende viele Fragen, die der Autor nicht schlüssig beantwortet hatte. Warum hiess der Hirsch Fisch? Warum kam Christoph Kolumbus vor? Auch der Stil gefiel ihr nicht, das ist nicht ihre Sprache. Es erschwerte ihr den Zugang zur Geschichte zusätzlich. Sie dachte oft, wenn ich mir schon die Zeit zum Lesen nehme, soll es auch genussvoll sein. Aber hier hat sie auf Granit gebissen. Zudem hat sie kaum Zitate gefunden.

Gräfin 2: Sie fand das alles überzeichnet. Skurril, wie ein Theaterstück. Sah auch das Bildliche vor sich, wie Gräfin 5. Aber im Gegensatz zu ihr las es an einem Sonntagnachmittag durch. Es war ein Hochgenuss für sie. Die Handlung ist düster, bedrückend und traurig. Aber diese herrliche Sprache! Das wäre mit einer Übersetzung nie so meisterhaft gewesen. Zum Glück aber ist die Geschichte so kurz. Der Zeitgeist war ihr zu unverbindlich und zu bedrückend, um länger weiterlesen zu wollen.

Gräfin 6: Ihr gefiel die Sprache sehr gut. Sie genoss und staunte. Aber die Handlung bereitete ihr Mühe. Das Hotel Savoy war eine eigene Welt, ein eigenes Universum. Düster und trist. Der Typ, Gabriel Dan, war lethargisch, hatte schlimme Erfahrungen gemacht und keine Erwartungen mehr. Er machte keinerlei Pläne. Sie hatte Mitleid mit ihm. Nur sein Freund Zwonimir blieb ihm. Das nahm er alles einfach hin, passiv, mittellos, ohne Familie und Ziel. Es ist eine traurige Geschichte, die in einem beeindruckenden Stil verfasst wurde. Manchmal erschien ihr aber die Sprache zu dicht.

Gräfin 3: Sie hatte zu kauen an diesem Buch. Die Geschichte ist sehr trist. All diese Trostlosigkeit und Chancenlosigkeit. Der Protagonist ging für andere in den Krieg, aber Undank ist der Welten Lohn. Das zeigte sich auch hier. Er kann nicht mehr kämpfen und lässt seine mögliche Liebe Stasia ziehen. Das Hotel war sein Leben. Und er sinkt immer höher im Hotel. (Je tiefer man das Zimmer hat, desto angesehener ist man.) Als das Hotel brennt, verlässt er es. Nun keimt langsam Hoffnung auf. Gräfin 3 versank in der Sprache zusammen mit Gabriel im Elend.

Zitate

Gräfin 6

S. 6

So vieles kann man in sich saugen und dennoch unverändert an Körper, Gang und Gehaben bleiben.

Gräfin 1

S. 34

…die Menschen haben kein schlechtes Herz, nur ein viel zu kleines.

Gräfin 3

S. 67

Seine biergelben Augen funkelten.

Gräfin 5

S. 76

…man trank Schnaps und tanzte und verbreitete die Syphilis.

Gräfin 4

S. 97

Gabriel, sage ich mir, du kommst mit einem Hemd in Hotel Savoy an und fährst weg als ein Gebieter über zwanzig Koffer.

Gräfin 2

S. 98

Das Schicksal bereiteten sie sich selbst und glaubten, es käme von Gott.

Zum Weiterlesen

Die Legende des heiligen Trinkers