Bewertung: 4

Leo Tolstoi – Anna Karenina

Bewertung: 4 Kronen

 

Anna Karenina1. Teil: (S. 7-144)
Die Hauptfiguren werden eingeführt. Ausgangslage: Oblonskj macht Seitensprung, wird von seiner Frau Dolly dabei erwischt. Anna Karenina fährt von St. Petersburg nach Moskau, um den Streit zu schlichten und das Ehepaar zu versöhnen.

Oblonskj: (Stiwa, Stepan Arkadjewitsch) Bruder von Anna, er ist leichtlebig, ein Schlitzohr, hat ein Problem mit dem Geld, ist ein Luftibus, aber charmant. Marina: im Verlaufe des Buches wurde er für sie eine der liebsten Figuren.

Dolly: (Darja Alexandrowna) Wird am Anfang sehr unbedarft, anspruchslos, welkend und alternd dargestellt. Entwickelt im Laufe der Geschichte Charakter, Geist und Stärke. Wird immer sympathischer und vermittelt zwischen den Figuren.

Anna Arkadjewna Karenina: Wird widersprüchlich, am Anfang überhaupt nicht als hübsch beschrieben. Erst ab da, wo sie den Sex entdeckt, wird sie unwiderstehlich (Zitat Marina: Vamp!) Anna scheint unnahbar, unzufrieden, verwöhnt, als Mutter zwar liebevoll, aber oberflächlich. Verstand sich nicht gut mit den Frauen, einzige Freundin ist Dolly, die Schwägerin.

Kitty: (Jekaterina Alexandrowna) Wird als junge, makellose Debütantin, mit viel Romantik, ganz herzig eingeführt beim Ball. Entzückend ist ihr Adjektiv. S. 98: „Ihr Augen strahlten, und ihre roten Lippen konnten im Bewusstsein ihres Scharms gar nichts anderes als lächeln.“

Konstantin Lewin: Die einzige Figur, die Tolstoj wirklich gern gehabt hat, (gab ihm auch seinen Namen). Er ist so, wie man als Mann sein sollte, ist Moralträger; macht nie etwas wirklich falsch, mischt sich nicht ungefragt in andere Angelegenheiten ein.

Wronskij: (Alexej Graf) Ein Gockel und Windhund! Sohn! Hat schöne Zähne (wird oft erwähnt) Am Schluss des Buches hat er Zahnweh!
Am Bahnhof in Moskau setzt er sich in Szene, um Anna zu gefallen, will Eindruck schinden. Bei ihm ist mehr Schein als Sein. Man traut ihm nie ganz, ob er Anna wohl richtig liebt oder doch nicht.

2.Teil: (S. 145 – 288)
Kitty geht zur Kur in Deutschland, leidet unter Liebeskummer S. 155 ..ihr unheilbarer Kummer bestand darin, dass Lewin ihr einen Antrag gemacht und sie ihn abgewiesen hatte. Jetzt, da Wronskij sie betrogen hatte, war sie entschlossen, Lewin zu lieben und Wronskij zu hassen.
Wronskij stellt Anna nach. Pferderennen! Tod des Pferdes; Anna gesteht Wronskij, dass sie schwanger ist. Annas Mann Karenin weiss, dass er betrogen wird.

Kitty trifft Warenka, der sie erst nacheifert, bis Warenka sagt: S. 270 „Warum sollten sie irgend jemand ähnlich sein? So wie sie sind, sind sie gerade recht…“
Kitty findet zu sich selber, wird ruhig, ist erwachsen.

3. Teil: (S. 289-427)
Sergej, der jüngere Bruder von Lewin, tritt auf, besucht Lewin auf dem Land, wohin dieser sich nach der Ablehnung von Kitty, zurückgezogen hat.
Diskussion über Agrarreform, Lewin geht heuen.

Dolly geht über den Sommer aufs Land, weint viel, merkt, dass sie kein Geld mehr haben. Karenin will die Scheidung von Anna nicht, bloss kein Skandal, der ihn unter Umständen die Stellung kosten könnte.
(Seitensprung bei Oblonskij: Missgeschickt; Seitensprung bei Anna: Verbrechen)

Bei einer von Anna angestrebten Scheidung würde sie ihren Sohn verlieren. Deshalb zieht sie sich von Wronskij zurück, bleibt im Hause Karenin.
Lewin erfährt, dass sein Bruder Nikolaj sterbenskrank ist.

4. Teil: (S. 428-524)
Anna hat Vorahnung, dass sie die Geburt des Kindes nicht überleben wird. Karenin reicht Scheidung ein. Oblonskij geht wieder fremd. Kitty und Lewin treffen sich wieder, machen eine „Buchstaben-Liebeserklärung (S. 479/480) Er hält erneut um ihre Hand an, sie nimmt an.

Anna wird von einer Tochter entbunden, wird sehr krank. Wronskij erscheint im Hause Karenin. Er macht einen Selbstmordversuch, nachdem Karenin ihm gesagt hat, dass er bei Anna bleiben wird. Als Anna davon erfährt, verlässt sie mit dem genesenen Wronskij, Haus, Mann und Kind.

5. Teil: (S. 525-658)
Hochzeit von Kitty und Lewin. Anna und Wronskij sind in Italien. Kitty pflegt den sterbenden Bruder von Lewin, dafür liebt Lewin sie umso mehr. Nach dessen Tod stellt sie fest, dass sie schwanger ist.

Lydia Ivanowa taucht bei Karenin auf. Sie beeinflusst ihn mit ihrer bigotten Denkweise. Anna ist zurück in Russland und schreibt an Karenin, möchte ihren Sohn wiedersehen. Wird ihr von Lydia, die Einfluss auf Karenin hat, nicht gestattet. Anna besucht Serjosha (ihren Sohn) heimlich an dessen Geburtstag.

Anna geht ins Theater, wird von der Gesellschaft geschnitten, geht nachher nicht mehr aus. Ihr sellisches Gleichgewicht kippt, sie wird eifersüchtig, depressiv und zänkerisch.

6. Teil: (S. 659-799)
Dolly bei Kitty auf dem Land zu Besuch. Von dort aus besucht sie Anna, fühlt sich aber bei ihr nicht wohl. Anna vertraut sich Dolly in ihrem Unglück nicht an. (Dolly beneidet Ann um ihre Liebe!)
S. 742 Wie überhaupt sittlich einwandfreie Frauen, die allmählich der Eintönigkeit ihres moralischen Lebens müde geworden sind, nahm auch sie Verfehlungen auf dem Gebiet der Liebe inSchutz und empfand sogar etwas wie Neid. Wronskij bittet Dolly um Unterstützung, dass Anna in die Scheidung einwilligt. Anna nimmt ständig Morphium.

7. Teil: (S. 800-916)
Kitty begegnet Wronskij, bleibt davon unberührt. Lewin trifft Anna, ist hingerissen von ihr und das ist ihm peinlich. Kitty bekommt einen Sohn, Lewin leidet bei der Geburt mit. S. 852 ..dass dieses Stöhnen von einem menschlichen Wesen ausging, das einmal seine Kitty gewesen war. Er wollte schon längst kein Kind mehr…

Anna geht es immer schlechter, zieht sich ganz aus dem gesellschaftlichen Leben zurück. Wird krankhaft eifersüchtig auf alles und jeden. Beziehung wird immer schwieriger. Lösung soll Scheidung und Heirat mit Wronskij bringen, damit sie wieder ehrbar ist. Anna besucht Dolly, kann sich ihr aber nicht anvertrauen. Anna wählt den Freitod, wirft sich unter einen Zug.

8. Teil: (S. 917-974)
Wronskij zieht in den Krieg.
Karenin nimmt Anna Tochter bei sich auf.
Lewin wird religiös.

Zum Autor

1828
9. September, Geburt von Lew Nikolajewitsch Graf Tolstoj
1830/37
Tod der Mutter/Tod des Vaters
1843
Studiert orientalische Sprachen
1848
Rückkehr aufs Gut, Lebt als Müssiggänger, macht Schulden
1851
Eintritt ins Regiment, wird Kriegskritiker, will Schriftsteller werden.
1857-60
Viele Reisen in Europa
1862
Heirat mit Sophia Andrejewna
1869
Buch. Krieg und Frieden erscheint
1873
Erste Entwürfe zu „Anna Karenina“, wendet sich der Pädagogik zu
1874
Schreibt Lesebücher für Kinder, gründet Schule, wird Lehrer
1878
Anna Karenina erscheint als Fortsetzungsroman in einer Zeitschrift
1881
Tritt aus der Kirche aus
1901
Wird exkommuniziert
1910
Flucht von Haus und Familie, stirbt am 20. November

Leo Tolstoj war ein berühmter Vegetarier, extrem tierliebend. Zitat: „Fleischessen ist ein Überbleibsel der grössten Rohheit.“

Kurze Kritik

Das Buch war allen etwas zu langatmig. Niemand hat es wirklich locker und ohne zu gähnen gelesen. Ein Schmöker, der für kalte, finstere, verschneite, einsame, lange russische Winternächte ohne Fernsehanschluss gerade ideal ist. Wir haben aber noch andere, rassigere Sachen ob, und so zwingt uns dieses Buch zu fest dazu, uns mit Details zu befassen, die uns nicht interessieren und nichts angehen.

Persönliche Meinung

1: Das Buch hat mir sehr gut gefallen, politische Themen waren etwas langatmig.

2: Politisches war zu lang, landwirtschaftliche Szenen haben ihr besonders gut gefallen. kamen fast zu kurz.

3: Sehr differenziert gezeichnete Figuren, mir hat das Buch gut gefallen.

4: Nicht schlecht, es tat gut, ausführlich darüber zu reden, erst da alles verdaut. Vieles habe ich überlesen.

5: Die Geschichte an und für sich fand ich sehr interessant, aber ich fühlte mich von Tolstoj vollgequasselt mit jensten politischen, moralischen und bäuerlichen Thesen.

6: Für den Zeitgeist von damals ist das Buch sehr modern und gelungen, aber etwas zu lang und detailgetreu. Die Figuren scheinen mir etwas stereotyp.

Lieblingszitate

S. 167
Mit seinem Vermögen ist niemand zufrieden, aber jeder ist es mit seinem Verstand.

S. 170
Aber Vernunftehen nennt man doch solche, die erst geschlossen werden, wenn beide Teile sich schon ausgetobt haben. Das ist wie bei der Scharlach, den muss man auch durchgemacht haben.

S. 199
Vielleicht bin ich deshalb glücklich, weil ich mich über das freue, was ich habe, und mich nicht über das gräme, was mir unerreichbar ist.

S. 213
Sie warteten nur auf den Umschwung der öffentlichen Meinung, um Anna ihre ganze Verachtung fühlen zu lassen. Schon hatten sie ganze Schmutzladungen bereit, die sie über sie ausschütten wollten, wenn die Zeit dazu gekommen wäre.

S. 633
Man kann stundenlang dasitzen und die Beine in der gleichen Stellung halten, wenn einen nichts daran hindert, diese Stellung zu ändern. Aber sobald man weiss, dass man die Haltung der Beine unmöglich wechseln kann, bekommt man Krämpfe, die Beine fangen an zu zucken und streben von selbst nach einer Lage, die bequemer und angenehmer scheint.

S. 733
..wenn ich jemand gern habe, so liebe ich ihn so, wie er ist, und nicht so, wie ich ihm mir wünsche.

S. 833
In der Liebe gibt es kein Mehr und kein Weniger.

S. 886
Den Begriff Achtung hat man nur erfunden, um die leere Stelle zu verdecken, wo eigentlich Liebe sein müsste.

S. 891
Seinen Wunsch, Kinder zu haben, erklärte sie damit, dass er auf die Erhaltung ihrer Schönheit keinen Wert legte.

S. 909
Ich bin nicht eifersüchtig, sondern unbefriedigt.

S. 913
Dem Menschen ist der Verstand gegeben, damit er sich von dem befreit, was ihn beunruhigt.

Zum Buch

„Anna Karenina“ von Leo Tolstoi dtv ISBN 3-423-12494-6

Alle Seitenangaben beziehen sich auf die 15. Ausgabe vom Mai 2003