Bewertung: 5

Margaret Atwood – Der Report der Magd

Bewertung: 5 Kronen

 

Die Geschichte ist eine Dystopie; eine fiktionale, in der Zukunft spielende Erzählung mit negativem Ausgang. Sie entwirft ein zukunftspessimistisches Szenario von einer Gesellschaft, die sich zum Negativen entwickelt.

1985 schrieb Margaret Atwood von religiösen Fanatikern, entmündigten und versklavten Frauen und Gebärmaschinen. Heute ist der dystopische Roman nicht weniger aktuell und vor allen Dingen nicht weniger eindringlich und erschütternd als damals. Über dreissig Jahre später, kaum war Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten gewählt worden, erlebte das Buch einen zweiten Frühling. Sie gehöre zu den wenigen, sagt Atwood, die von Trumps Wahlsieg profitiert hätten. Das Buch findet reissenden Absatz. Was Mitte der achtziger Jahre weltfremd schien, trifft heute unvermutet ein Lebensgefühl: die Furcht vor einer Tyrannei der Technokraten.

Die Geschichte beginnt im fiktiven Staat Gilead im Jahr 2195, der von radikalen Christen – den „Söhne Jakobs“ – nach einer atomaren Verseuchung gegründet wurde. Ein grosser Teil der weiblichen Bevölkerung ist unfruchtbar. Deshalb werden Frauen entmündigt und in drei Gruppen eingeteilt: Ehefrauen von Führungskräften, Dienerinnen und Mägde. Letztere werden zur Fortpflanzung rekrutiert und sollen nach biblischem Vorbild für unfruchtbare Ehefrauen Kinder empfangen. Desfred ist die Hauptfigur und Erzählerin, lebt in einer Welt, in der sie nur geduldet wird, weil sie gesund ist und gebären kann. Desfreds Tonbandaufzeichnungen schildern in einfachen Worten den Alltag in einer entmenschlichten Gesellschaft mit vollständiger Überwachung und grausamer Unterdrückung.

Sie wird dem Kommandanten Fred als Zweitfrau in dessen Haushalt zugewiesen, wo regelmässig die entwürdigende Prozedur des Geschlechtsakts in Gegenwart der Ehefrau durchgeführt wird. Ihr Zimmer darf Desfred nur zu seltenen Einkäufen und zu öffentlichen Hinrichtungen verlassen. Wenn Desfred zum Einkaufen geht, wird sie stets von der Magd eines anderen Kommandanten begleitet. Sie sollen sich gegenseitig kontrollieren. Desglen, so heisst die Schicksalsgefährtin, vertraut ihr schliesslich an, dass sie einer Untergrundbewegung angehört und nennt ihr das Losungswort „Mayday“.

Der Kommandant beginnt, Desfred spätabends zu sich zu bestellen und sorgt dafür, dass seine Frau nichts davon erfährt. In seinem Arbeitszimmer entdeckt Desfred Regale mit verbotenen Büchern, und er lässt sie auch in alten Zeitschriften blättern, die eigentlich längst verbrannt sein sollten. Er spielt Scrabble mit ihr, obwohl auch das streng verboten ist, und zum Abschied bittet er sie jeweils um einen Kuss. Schliesslich nimmt er sie mit zu einem geheimen Nachtklub. Desfred kennt eine der Animierdamen. Vergeblich versuchte Desfred Moira von einem Fluchtversuch abzuhalten. Die mutige Rebellin Moira verwandelte sich in eine hoffnungslose Prostituierte. Der Kommandant macht Desfred in dieser Nacht verbotenerweise zu seiner Mätresse. Aber sie wird nicht schwanger. Deshalb schlägt Serena Joy ihr vor, es mit Nick zu versuchen, dem über der Garage wohnenden Chauffeur.

Als bei Janine, die inzwischen als Magd Deswarren heisst, die Wehen einsetzen, werden Desfred und andere Frauen zu ihr gebracht, denn eine Geburt ist ein Festakt. Weil man mit dem Kind nicht zufrieden ist, wird es beseitigt. Eine noch grössere Versammlung von Frauen findet anlässlich einer „Bezirks-Errettung“ statt. Zwei Mägde und eine Martha, die gegen Vorschriften verstossen haben, werden durch Strangulation hingerichtet.

Desfred glaubt, schwanger zu sein, um sie zu schützen, lässt Nick sie eines Nachts zum Schein wegen Geheimnisverrats vor den Augen des Kommandanten und seiner Frau verhaften. Er flüstert Desfred zu, sie solle ihm vertrauen. Die Männer gehörten zur Untergrundbewegung und würden sie ins Ausland bringen. Am 25. Juni 2195 – als Gilead längst untergegangen ist – findet an der Universität Denay in Nunavit das Zwölfte Symposium von Historikern über Gileadstudien statt. Ein Professor hält einen Vortrag mit dem Titel „Probleme der Authentisierung in Bezug auf den Report der Magd“. Was aus der Magd Desfred geworden ist, haben die Forscher noch nicht herausgefunden. Über die Identität des Kommandanten, dem sie zugeteilt war, gibt es Spekulationen.

Über die Autorin

Margaret Eleanor Atwood (*18. November 1939 in Ottawa ,Kanada) ist eine kanadische Schriftstellerin und Dichterin. Sie verbrachte ihre frühe Kindheit in Ottawa, Quebec und Ontario. 1946 nahm ihr Vater, ein Entomologe, eine Stelle an der University of Toronto an, wo sie bis zu ihrem Collegeabschluss am Victoria College lebte. Sie studierte die englische Sprache und Literatur und lehrte ab 1964 als Literaturwissenschaftlerin an verschiedenen Universitäten.

Sie lebte in den USA, im Vereinigten Königreich, in Frankreich, Italien und Deutschland. Heute wohnt sie in Toronto. Seit ihrer Scheidung von ihrem ersten Ehemann im Jahr 1973 lebt sie mit dem Ornithologen und ehemaligen Schriftsteller Graeme Gibson zusammen und hat mit ihm eine Tochter (* 1976).

Atwood thematisiert häufig in ihren Romanen, oft auch in Form von Science-Fiction-Geschichten, die Stellung der Frau in der Gesellschaft, setzt sich aber auch mit anderen aktuellen gesellschaftlichen Problemen sowie Umweltfragen auseinander.

Diskussion zum Thema

Gräfin 5 hat das Buch ausgewählt ohne zu wissen, dass es bei Hulu so einen Hype gibt. Margaret Atwood hat bei der Frankfurter Buchmesse den deutschen Friedensbuchpreis erhalten. Die Art, wie Desfred schreibt, ging ihr sehr nahe, da sie während des Velofahrens im Geiste schreibt und das dann reduziert auf 2 Sätze. Sie hat viele Texte im Kopf bereit, konnte die Fülle der Texte von Desfred nachvollziehen. Die Sprache ändert sich, je nachdem vom wem die Rede ist. Fanatismus ist immer schlecht, der islamistische Fanatismus ist aktuell.

Gräfin 5 hat das Buch an 4 Abenden in den Ferien in Ungarn gelesen. Die anderen gingen früh ins Bett. Sie hat schon davon geträumt. Eigentlich kannte sie Geschichte schon. die Sprache hat ihr gefallen. Das Buch war nicht einfach zu lesen, aber auch nicht schwierig. Sie hat das Buch gern gelesen, obwohl das, was Desfred passiert ist, schrecklich war. Gräfin 5 hat den Schluss des Buches so interpretiert, dass Desfred schwanger und untergetaucht ist, also in Sicherheit, weil sie so lange Zeit hatte um die Kassetten zu besprechen.

Gräfin 6 konnte das Buch nicht so runterlesen. Ihr hat die Sprache sehr gut gefallen, sie war das Highlight des Buches. Sie musste sich immer wieder in die Geschichte hineinbegeben. Das Geschehen hat sie kalt gelassen, es hat sie nicht berührt. Das Stilmittel der verschiedenen Zeiten hat ihr gefallen. Sie bewundert die Wahnsinns-Fantasie, wie sie sich die Zukunft zurecht schrieb. Aber Gräfin 6 wurde nicht so warm damit. Sie weiss nicht so recht, was sie davon halten sollte. Desfred ist auch für sie schwanger und hat Hilfe erhalten um zu überleben. Sie ist sich nicht ganz sicher, ob es gut ausgehen wird, Desfred das Kind behalten kann. Sie hat viele Zitate gefunden. Sie fand es ein eigenartiges Buch und ist gespannt auf die Serie auf Hulu. Im Großen und Ganzen ist Gräfin 6 froh, dass sie die Geschichte gelesen hat.

Gräfin 1 hat das Buch schon einmal gelesen und den Film gesehen. Es war für sie immer gleich verstörend, der Film sogar noch mehr. Sie las die Geschichte schnell, weil es so beklemmend war. Tendenzen sind in unserer Gesellschaft vorhanden. Der Schluss hat sie geschockt. Man fällt aus der Geschichte raus. Für sie war Desfred weder schwanger noch ging es ihr am Ende gut. Die Rückblende aus noch weiterer Zukunft ist bedrückend. So werden wir auch betrachtet werden. Das Buch ist faszinierend, aber harte Kost. Sie hat es nicht „gern“ gelesen, sie wollte mit der Geschichte nicht konfrontiert werden. Das Voyeuristische der kühlen Wissenschaftler aus dem geschichtlichen Kontext ist beklemmend. Die Zusammenstellung der Fakten macht traurig. Man wurde aus der Geschichte herausgespickt. Fazit: eindrücklich aber happig.

Gräfin 2 hat ein zwiespältiges Gefühl dem Buch gegenüber. Um Gottes Willen, was für eine gesch… Sprache, so konstruiert. Das war im Nachhinein erklärbar. Die Geschichte selbst ist sehr interessant, erschreckend nahe an der Realität. Gräfin 2 hat es genervt, dass es drei mögliche Versionen gibt. Was soll das? Die Rückblicke fand sie zuerst unnötig, aber dann gut. Für Gräfin 2 ist Desfred schwanger und im Untergrund. Sie hat das Buch gern gelesen. Aber es ging ihr nicht an die Nieren und hat sie auch nicht vom Schlafen abgehalten. Sie hat weder die Serie noch den Film gesehen und ist gespannt darauf. Das Buch ist so geschrieben, dass man Bilder sieht. Es ist langatmig, aber beeindruckend. Das Tempo der Erzählung stimmt daher.

Gräfin 3 war zuerst irritiert, dass verschiedene Versionen möglich sind. Wurde der Kindsvater auf der Flucht erschossen? Ist er tot oder vielleicht lebt er auch noch? Was ist mit der Tochter? Jede/r kann das selbst hineininterpretieren. Was stimmt für mich? Es gibt mehrere Möglichkeiten im Buch, denn alles lebt ja nur im Kopf. Für Gräfin 3 ist Desfred weder schwanger noch hat sie überlebt. Das ist die grosse Kunst von Atwood. Je nachdem wie wir lesen, sehen wir einen anderen Film: genial! Gräfin 3 hat das Buch vor Ewigkeiten in Englisch gelesen. Jetzt in Deutsch konnte sie die Nuancen und Feinheiten noch besser geniessen. Das faszinierte sie. Eigentlich hasst sie Interpretationsmöglichkeiten, ihr ist Klartext lieber. Aber in diesem Buch stimmte es. Sie fand es ein tolles Buch; aktuell. Es liess sie nach Luft schnappen. Sie wird es sofort weiterempfehlen, auch ihren Töchtern. Die Errungenschaften der Mütter sollen an die Töchter weitergegeben werden. Die realistische Zukunftsvision des Buches ist beängstigend. Wenn wir so weitermachen wie die USA jetzt beginnt, kommen wir mit unserer Dummheit wirklich zurück ins Mittelalter. Gräfin 3 ist froh, dass sie das Buch nochmals gelesen hat.

Zitate:

S. 16 Ich versuche, nicht zu viel zu denken.
S. 262 Das Problem ist es hinunter zu würgen ohne daran zu ersticken.
S. 265 Der Sündenfall war ein Fallen aus der Unschuld ins Wissen.
S. 284 Besser bedeutet nie, besser für alle, sagt er.
S. 293 Seine Stimme hat die Farbe von Metall und die Form eines Horns.

Zum Weiterlesen

This is your life (1988)

Unzertrennlich (Friends for Life) 1994

Saras Freunde (Surrender, Dorothy) 1998