Bewertung: 5

Nevil Shute – Eine Stadt wie Alice

Bewertung: 5 Kronen

 

A town loke alcieEigentlich sind es vier Geschichten in einer.

Es ist eine Art Geschichtensammlung, verbunden durch die Person Joan Paget. Zuerst die Geschichte der Anwälte, die nach Schottland reisen müssen, um ein Erbe zu regeln. Dann die Geschichte der englischen Frauen, die in Malaya unter japanischer Kriegsgefangenschaft kommen. Dann als drittes die Suche nach dem australischen Kriegsgefangenen und zuletzt ist es die Geschichte, wie sich mit Joans gezielten Investitionen aus einem öden Outbackort eine „Stadt wie Alice“ entwickelt.

Shute braucht lange, bis er den Kernsatz schreibt, der dem Buch den Titel gab! Denn die Geschichte spielt erst nach gut zwei Dritteln des Buches in Australien. Erst dann wird klar, was der Titel eigentlich aussagen soll.

Der Beginn der Geschichte führt uns nach Schottland, wo ein einsamer alter Mann ein Vermögen zu vererben hat. Der Erbververwalter Strachan sucht nach dem 2. Weltkrieg noch lebende Verwandte Macfaddens und findet sie in Joan Paget.

Sie verbrachte die Kriegsjahre auf Malaya in japanischer Gefangenschaft. Da die Japaner kein Frauencamp zur Verfügung hatten, schickten sie die Frauen auf lange Fussmärsche, welche die Gefangenen um die Hälfte reduzierte. Die vielen Todesfälle, Krankheiten und Hunger setzten der verbliebenen Gruppe sehr zu.

Als sie auf der Strasse australische Kriegsgefangene, Lastwagenfahrer treffen, freunden sie sich an. Die beiden „Ringer“, australische Farmer, organisieren den Frauen Medikamente, Seife und auch Lebensmittel. Bei einem Hühnerdiebstahl wird Joe geschnappt und von den Japanern zur Strafe gefoltert und an einem Baum gekreuzigt. Das war das letzte, was die Frauen von ihm sahen. Wenig später, ihr japanischer Aufseher ist unterdessen tot, erhalten sie in einem malaysischen Dorf die Genehmigung, sich niederzulassen und Reis anzubauen. Dort bleiben die Frauen für zweieinhalb Jahre, bis der Krieg beendet ist.

Danach geht Joan heim nach England und nimmt eine Stelle im Büro an, bis sie von Mr. Stachan über die Erbschaft unterrichtet wird. Jetzt kehrt Joan in das malaysische Dorf zurück, um sich bei den Frauen des Dorfes mit einem Brunnen zu bedanken. In Malaya erfährt sie durch Zufall, dass Joe Harman noch lebt. Nun macht sie sich auf den Weg, um ihn in Australien zu suchen. Dabei besucht sie auch die Stadt Alice Springs, von der Joe mit so grosser Begeisterung gesprochen hat.

Gleichzeitig taucht bei Noel Strachan in London ein australischer Ringer namens Joe Harman auf, dieser ist auf der Suche nach Joan Paget. Joan ist unterdessen in „Willstown“, einem fiktiven Ort im Outback von Queensland angekommen. Hier ist Joe Manager einer Viehstation. Sie bemerkt sehr schnell, dass es mehr ein „Kuhkaff“ ist und kaum lebenswert für Frauen. Als sie sich in einem Hotel in Cairnes wiedersehen, sind sie zuerst sehr gehemmt. Erst als Joan ihre malaysische Kleidung wieder anzieht, erkennt er „seine Mrs. Boog“ wieder. Sie verlieben sich und entschliessen sich, zusammen zu bleiben.

Jetzt beginnt Joan mit ihren Investitionen. Ihr ehemaliger Chef ist von der Qualität und Zweck-mässigkeit einer Produktion in Australien überzeugt und schickt eine seiner besten Vorarbeiterinnen, um einheimische Kräfte in der Schuhherstellung einzuweisen. Zudem baut Joan eine Eisdiele und ein Geschäft, wo man frische Lebensmittel kaufen kann. Sie plant ein Schwimmbad und dafür holt sie einen Bauarbeiter mit Bagger in den Ort, der neu hier sein Auskommen findet. So geht das munter weiter, bis aus Willstown „eine Stadt wie Alice“ geworden ist.

Über den Autor

NGräfin 3le Shute Norway kam am 17. Januar 1899 in London (Ealing) zur Welt. Sein Vater Arthur Hamilton Norway war stellvertretender Leiter der britischen Post. 1915 starb sein einziger Bruder Fred neunzehnjährig in Frankreich im Krieg.

Während des Osteraufstandes in Irland 1916 war NGräfin 3l Krankenbahrenträger. Daraufhin entschloss sich NGräfin 3l in die Royal Military Academy einzutreten; er wollte unbedingt für England in den Krieg ziehen. Doch der war zu Ende, bevor er mit der Ausbildung fertig war.

Nach dem Krieg studierte er am Balliol College in Oxford Ingenieurwissenschaft und trat in die Flugzeugmotorenfabrik de Havilland ein (1922). Seine Freizeit benutzte Shute zum Schreiben.

1931 heiratete er die Ärztin Frances Heaton. Mit ihr hatte er zwei Töchter, Heather und Shirley.

Norway nahm als Commander der Royal Navy Reserve am 2. Weltkrieg teil. In dieser Zeit war er als Ingenieur an geheimen Projekten der Luftfahrttechnik beteiligt.

Nach Kriegsende verbrachte er einige Jahre mit Reisen. 1945 war er Korrespondenz in Burma, 1947 führ er mit dem Auto durch Amerika. Einige Zeit später flog er mit einem eigenen Flugzeug nach Australien, um für „A town like Alice“ zu recherchieren.

1950 übersiedelte er mit seiner Familie nach Australien und liess sich in Melbourne nieder

Neben seinem literarischen Schaffen war er gelegentlich auch als Gutachter in der Flugbranche tätig. In Australien wechselte Norway auch das Genre und verfasste unter dem Pseudonym NGräfin 3l Shute nun vermehrt SF-Romane. Er legte beim Schreiben seinen eigentlichen Nachnamen ab, um seine beiden Karrieren voneinander zu trennen.

Im Alter von 61 Jahren starb NGräfin 3l Shute Norway am 12. Januar 1960 im Freemason Hospital von Melbourne.

Diskussion zum Thema

Gräfin 5: (Ausgabe 1979) Sie hat das Buch bereits zweimal gelesen, einmal sogar in Englisch. Auch diesmal tat sie es mit Genuss. Die Geschichte hat sie erneut berührt und mitgerissen. Sie war nie enttäuscht, weil es in der Erinnerung schöner war als in der Gegenwart. Nein, es fesselte und beeindruckte sie jetzt als „gestandene“ Frau genauso sehr.

Es ist einfach eine schöne, runde Sache. Die Sprache hat sie eingelullt. Der Plot entwickelt sich gemächlich, lässt einem aber nie los. Man verliert nie den Faden, es wird nie langweilig, der Spannungsbogen bleibt immer erhalten. Sie würde das Buch immer weiter empfehlen, Frauen und Männern. Als junge Frau las sie die Geschichte eher von der romantischen Seite her. Jetzt war Joan einfach eine Frau, die das Leben anpackt und sich nicht mit dem was ist abfindet und zufrieden gibt. Sie konnte sich allen Lebenssituationen anpassen, hat sich aber nie verbiegen lassen. War charakterfest. Joan will verändern, verbessern, mithelfen. Das imponierte Gräfin 5. Es hatte für sie überhaupt nichts mit dem Alter der Frau zu tun. Sie findet, dass in jedem Alter Veränderungen möglich sind, wenn man sich traut, anzufangen und etwas in die Wege zu leiten. Joan hat ihr imponiert, weil sie ihr Leben in die Hand nahm. Zwar hat sie zuerst Geld geerbt, damit es möglich ist, aber sie hat das Geld klug eingesetzt und vermehrt. Traurig machte sie vor allem die Episode mit den Schlittschuhen.

Gräfin 2: (Ausgabe 1967) Auch sie hat das Buch schon gelesen, sie wusste, dass es ihr gefallen hat, konnte sich aber nicht mehr an die Geschichte erinnern. Erst mit dem Lesen kam sie zurück. Dieses Mal hat es sie nicht mehr ganz so gepackt. Die Sprache empfand sie als altbacken. Doch die Geschichte war süffig, nicht belastend und locker zu lesen. Die Unterteilung in drei Abschnitte gefiel ihr. Erschüttert hat sie, dass die Trennung von Schwarz und Weiss auch in Australien so konkret war. Das war ihr nicht bewusst vorher. Die Story ist alles in allem einfach gut, eine schöne, gelungene runde Sache.

Gräfin 6: Sie hat das Buch als junge Frau ebenfalls gelesen und hat dazu dieselben Anmerkungen wie Gräfin 2. Und, sie war sich überhaupt nicht mehr bewusst, dass in dem Buch gar nicht um Alice Springs geht! Ihr blieb aber im Gegensatz dazu die Liebesgeschichte in bester Erinnerung. Sie war nicht mal 20, als sie das Buch las und hat immer gedacht, so muss es auch bei ihr mal sein, wenn sie den Mann fürs Leben findet. Dieses Mal ging sie mit mehr Erfahrung und demensprechend realistischer ans Lesen. Es kam weniger romantisch rüber, aber das Buch tat wohl, es war ein toller „Feel-Good“ Roman. Einzig die Rettung des Ringers mit dem gebrochenen Bein fand sie etwas schwerfällig.

Gräfin 1: Sie hat das Buch zum ersten Mal gelesen. Sie denkt, dass es ihr als junge Frau besser gefallen hätte. Sie las es, wie sie einen alten Film im TV schaut; das Ganze war zwar liebenswert, aber zu theatralisch. Sie konnte schmunzeln über veraltete Ansichten, es war halt Vieles anders in dieser Zeit. Spannend war für sie der Aspekt, den Weltkrieg mal von der asiatischen Seite zu erfahren. Die Sprache im Buch empfand sie als die eines älteren Herren, der in die Protagonistin verliebt ist. Sie fragte die anderen Gräfinnen, ob sich niemand daran gestört hat, dass ein Mann diese Frauengeschichte schrieb. Eine herzige, schöne Geschichte, zu romantisch und rosarot für sie. Es tat aber gut, sie zu lesen und es ging ihr ans Herz. Doch es passte alles zu fest, zu viele Zufälle, es war eher ein Märchen. Alles stimmte, alles kam gut heraus, die Frau hat viel Geld, da war es für sie ja einfach, das alles zu bewerkstelligen. Der Schluss des Buches war gut.

Gräfin 3: Sie hat das Buch als junge Frau ebenfalls schon gelesen. Nun fiel das süss-klebrige weg. Die Geschichte verwechselte sie mit der eines Kinofilmes, der auch unter japanischer Besatzung spielte. Sie las das Buch damals auf Anraten von Gräfin 5, und schon damals etwas ambivalent. Ihr gefiel einzig der Aspekt der Frau, die in den 50ern Jahren eine Heldin wurde. Sonst sind das in jener Zeit vorwiegend Männer. Diese starke Frau mit Innovationsgedanken gefiel ihr super. Sie hätte sich ja auch einfach teure Sachen kaufen und im Luxus schwelgen können. Doch Joan übernimmt Verantwortung, erst im Krieg, dann in Australien. Sie bringt die Gegend zum Blühen, sie ist Leaderin. Sonst ist alles vorhersehbar. Aber sie hat das Buch gerne gelesen, ohne Belastung, es hatte immer Platz dafür. Es ist ein Feel-Good-Buch.

Gräfin 4: Sie hat es noch nie gelesen. Sie liebt solche Geschichten. Zwei Wochenenden haben gereicht, die Geschichte zu verschlingen. Ihr gefiel auch der geschichtliche Hintergrund, nicht nur die romantische Liebesromanze. Die Beschreibung des Fussmarsch durch Malaysia fand sie super interessant. Was diese Frauen erlebten und wie sie damit umgingen, gefiel ihr super. Was Joan mit ihrer Erbschaft anstellte, imponierte ihr. Sie ist beeindruckt von der Kraft und dem Tatendrang der Heldin. Auch die Sprache war süffig und schön zu lesen. Man stolperte kaum und es hatte keine Hänger in der Geschichte. Überrascht war sie von der Wendung in der Geschichte, dass Joe lebt! Damit hätte sie nicht gerechnet. Das freute sie und so konnte sie die romantische Seite des Buches richtig auskosten.

Zitate

Gräfin 1: Letzter Satz: „Ich liebe sie sehr.“

Gräfin 3: (Ausgabe 1952) „Komm lass dir einen Kuss geben. Sie retirierte. (Ausgabe 1979: Komm, lass dir einen Kuss geben. Aber was denkst du! Geküsst wird erst, wenn du aufgestanden bist, gebadet hast und etwas mehr anhast!“

Gräfin 6: Ausgabe 1979; S. 200) „Sie lag in dem seichten Wasser und pries sich glücklich, einer Vereinsamung entronnen zu sein, die ihr schlimmer gewesen wäre als der Tod.“

Gräfin 5: (Ausgabe 1979; S. 201) „Nun mangelte es nicht mehr an Gesprächsstoff, und selbst ihr Schweigen war inhaltsreich.“

Gräfin 2: Ausgabe 1979; S. 161) „Es waren grosse, gutgebaute Neger. Sie lachten so herzlich und reichlich, wie Neger zu lachen pflegen.“

Gräfin 4: (Ausgabe 1957; S. 207) „Lachend schlug er sich auf die Schenkel. ‚Als ihr hier wart, hast du mir das jedes Mal gesagt, wenn du etwas hast haben wollen. Seither habe ich’s nie mehr gehört: Gut sein zu Frauen…‘“

Zum Weiterlesen

Das letzte Ufer

In fernem Land