Bewertung: 4

Peter Bichsel – Mit freundlichen Grüssen

Bewertung: 4 Kronen

 

Es ist eine Art Zwiesprache, die Peter Bichsel mit sich und dem Leser hält. In diesem Band „Mit freundlichen Grüssen“ erschien eine weitere Auswahl von Kurz- und Kürzestgeschichten vor. Der Autor selbst nennt sie „Kolumnen“, die seit vielen Jahren schon in der „Schweizer Illustrierten“ veröffentlicht werden.

Der schmale Band versammelt insgesamt 38 dieser kurzen Prosatexte, die meist nur vier, fünf Seiten lang sind. Bichsel erzählt darin vor allem von alten Freunden und Bekanntschaften, die in seinem Leben eine Rolle gespielt haben oder denen er zufällig begegnet ist.

Zwischen den Zeilen kommen immer wieder liebgewonnene Erinnerungen auf. Die kurzen Geschichten verführen oft zu einer flüchtigen, unreflektierten Lektüre, dabei lässt Bichsel in die Geschichten all seine Menschenkenntnis und Lebenserfahrung einfließen. Er versteht es geschickt, hinter der Belanglosigkeit das Wesentliche zu verstecken. Selbst Gesellschaftskritik wird so verschmitzt getarnt. Dahinter steckt das Leiden des Schweizers an dem, was er an seinem Heimatland liebt und was ihn maßlos enttäuscht. Diese verschleierte Kritik hinter Alltäglichem und Banalem – der Leser wird sie in vielen Geschichten entdecken. Eine wunderbar nachdenkliche Lektüre.

Über den Autor

Peter Bichsel, geboren am 24.3.1935 in Luzern als Sohn eines Handwerkers geboren. 1941 zog die Familie nach Olten um. Er besuchte das Primarlehrseminar in Solothurn und arbeite bis 1968 in diesem Beruf. 1956 heiratete er die Schauspielerin Therese Spörri († 2005); und wurde im selben Jahr Vater einer Tochter (Gräfin 4) und 1957 eines Sohnes, Matthias. Im Jahre 1957 trat er der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SP) 1995 trat er wieder aus. Er bezeichnet sich selber als Sozialist.

Er ist ein bedeutender Schweizer Schriftsteller, Essayist und Kolumnist.

1968 wurden in der Weltwoche seine ersten Kolumnen veröffentlicht, die seither (aktuell in der Schweizer Illustrierten) sozusagen sein Hauptwerk bilden. 1970 trat er zusammen mit 21 weiteren bekannten Autoren aus dem Schweizerischen Schriftstellerverband aus und beteiligte sich an der Gründung der Gruppe Olten.

Ab 1974 und 1981 war Bichsel persönlicher Berater des damaligen Bundesrates Willy Ritschard. Ritschard zählte zu seinen engen Freunden. Dazu gehört auch Max Frisch, mit dem er bis zu dessen Tod eng befreundet war. Bichsel lebt in Bellach bei Solothurn.

Zwischen 1972 und 1989 hielt er sich mehrere Male als „Writer in Residence“ und Gastdozent an amerikanischen Universitäten auf.

Peter Bichsel ist Mitglied der Akademie der Künste in Berlin und korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt.

Diskussion zum Thema

Gräfin 4 begrüsst uns zur Sitzung und stellt und ein super tolles Essen auf. Merci!

Sie kannte Peter Bichsel bisher nicht. Als sie ihn googlete, stiess sie auf den Wein, den wir heute tranken. Das Leben des Dichters fand sie äusserst spannend. Doch von Buch war sie dann ein bisschen enttäuscht. Es waren eben nur Kurzgeschichten, Kolumnen, eigentlich nicht ihr Lieblingsstil. Sie vermisste es, dass keine der Personen in den Geschichten wiederholt auftrat. Dennoch gefiel ihr der Schreibstil. Kaum hat man mit lesen begonnen, war’s auch schon fertig. Kaum einmal wusste man aber zu Beginn, wie die Geschichte enden würde. Immer war ein spezieller Dreh dabei. Das fand sie sehr interessant. Diese Art Schreibstil ist faszinierend. So kompakt, dicht, unerwartet in der Auflösung. Welche Geschichte die beste war? Keine blieb letztlich wirklich im Gedächtnis haften.

Gräfin 5: Ihr erstes Erlebnis hatte sie mit 13 in der Kanti, als de Deutschlehrer abwesend war, hörten Sie die „Kindergeschichten“ auf Schallplatten. Diese Geschichten fesselten Sie, ganz besonders jene von Onkel Jodock. Später begegnete Ihr Peter Bichsel in den Kolumnen der Schweizer Illustrierten, die sie immer mit Begeisterung las. Der Stil ist immer der gleiche, die Geschichten ähneln sich. Ein bisschen schulmeisterlich, ein Gedanke, der weiter gespinnt wird. Das vorliegende Buch „Mit freundlichen Grüssen“ würde sie als typisches WC-Buch bezeichnen. In homöopathischen Dosen extrem gefällig.

Gräfin 1: Sie kannte Bichsel bisher nicht. Eventuell hat sie bereits mal eine Kolumne gelesen, aber es ist ihr nicht mehr bewusst. Sie stolperte etwas über die vielen Geschichten. Es gab keinen Handlungsstrang, keine Verbindung. Sie merkte, dass sie das nur häppchenweise lesen kann, so 2-3 Geschichten pro Tag. In allen Geschichten steckte immer ein Grundton von Traurigkeit, sie handelten von Alter, Sterben, Abschied, Beiz. Die Vergänglichkeit ist eigentlich immer im Vordergrund. Wie werden wir im Alter? Hier ist sie so à la „Weisch no?“. Eine melancholische Grundmelodie. Die Geschichte vom Mädchen mit der Zitrone gefiel ihr am besten.

Gräfin 3: Sie liebt die Kindergeschichten ebenfalls. Bichsel empfindet sie als sehr politischen Menschen. Er gibt gerne seine Meinung kund. Dieses Buch ist schwierig zum einsteigen. Der Kern ist gegeben, dennoch ist das Buch schwierig zum Einsteigen. Es gibt immer einen Gedanken, dann wird rundum eine Geschichte gebaut. Bei einigen Geschichten hatte sie Tränen der Rührung. Sie sind so einfach, und trotzdem als Gedanke, als Funke, als Anregungen zum selber Denken wertvoll. Zum Zitieren wunderbar zu verwenden, aber als Literatur schwierig zu bewerten. Auch sie findet es sei ein typisches WC-Buch.

Gräfin 2: Sie wiederum kennt die Kindergeschichten nicht. Dieses Buch begann sie mit viel Enthusiasmus. Es läuft sich aber mit der Zeit tot. Sie wird nicht ganz warm damit. Die Politiker, die Lehrer, der Menschenfreund. Sie findet, er tut sich schwer mit Schreiben. Er ringt mit der Sprache. Er macht sich Gedanken, hat einen guten Sinn für das Kleine, Randständige, für die Übersehenen. Er ist in ihren Augen aber kein Schriftsteller. Deshalb wurde es zäh, zu komprimiert, das geht nicht gut. Aber es war schon spannend, wer gibt sich schon mit so Alltäglichkeiten, Wichtigkeiten ab. Wer beobachtet den Alltag genauso genau?

Gräfin 6: Sie kauft nie Kurzgeschichten. Sie mag das nicht. Diese Kolumnen peu à peu, das ging aber ganz flott. Deshalb ging es ihr nicht auf die Nerven. Er gibt kleinen Leuten ein Gesicht. Politik stand für sie nicht im Vordergrund. Im Gegenteil, die Geschichten waren warmherzig. Alle Geschichten waren rund, Volltreffer, der Stil gefiel ihr.

Lieblingsgeschichte:

Gräfin 1: Das Mädchen mit der der Zitrone

Gräfin 6: Und etwas können

Gräfin 5: Der Briefträger

Gräfin 2: Burgel Zech

Gräfin 3: Mein Freund Rambo

Gräfin 4: Er spricht mit mir

Zitate

Gräfin 3: Titel, „mit freundlichen Grüssen

Gräfin 2: S. 58, „Er hatte eine Neigung zur Intelligenz“

Gräfin 6: S. 65, „..der Montags selten arbeitete und oft die ganze Woche nicht.“

Gräfin 1: S. 22, „soll ich es dir übersetzen?“

Gräfin 5: S. 58, „ich mochte ihn, oder eigentlich, ich mochte, dass er mich mochte.“

Gräfin 4: S. 88, „..ob ich das heute noch dürfte als Sechsjähriger?“5. Diverses