Bewertung: 4, Bewertung: 5

Plentzdorf / Goethe – Die (neuen) Leiden des jungen W.(erthers)

Bewertung: 4 Kronen

 

„Die Leiden des jungen Werthers“ von Johann Wolfgang von Goethe

Werther sauberWerther Anfang 20 und alleine in eine Stadt gereist, um für seine Mutter etwas zu regeln. Er schreibt seinem Bruder Wilhelm Briefe. (Briefroman)
Die Briefe sind datiert zwischen dem 4. Mai 1771 und dem 17. Dezember 1772. Erst fühlt er sich mit der Landschaft und den Menschen der Gegend eins, ist glücklich, liest Homer und schwelgt. Er lernt auf seinen Spaziergängen eine Bauersfamilie kennen, malt die beiden kleinen Buben. (Parallelhandlung)

Auf einem Ball im Juni trifft er das Mädchen Lotte und verliebt sich augenblicklich in sie. Zwar weiss er von Beginn weg, dass sie Albert versprochen ist. Doch da dieser auf Reisen weilt, kann er es verdrängen. Auch Lotte versteht sich gut mit ihm. Sie reden dieselbe Sprache, was treffend zum Ausdruck kommt, als beide nach einem Gewitter in den Himmel schauen und Lotte „Klopstock“ sagt. Beide wissen, was gemeint ist. (Beschreibung dieser Stimmung in einem Gedicht von K.)

Ende Juli kehrt Albert zurück und die beiden Männer freunden sich an. Werther sieht bei einem Besuch bei Albert dessen beiden Pistolen, daraus entwickelt sich ein Gespräch über Tod und Selbstmord. Für Werther wird die Zeit mit den beiden zusammen zur Pein. Er trennt sich von Lotte und tritt in den Dienst eines Gesandten. Einige Wochen ist er von der Liebe zu Lotte „geheilt“, trifft ein Fräulein B. und findet Anschluss an die Gesellschaft . Doch der Gesandte entpuppt sich als Tyrann und in der Gesellschaft des Hochadels wird er gedemütigt, weil er nicht standesgemäss (d. h. adelig) ist. Das Fräulein B. hält nicht zu ihm, trotz ihrer Liebe.

Im Februar 1772 erfährt er, dass Lotte und Albert geheiratet haben. Im März verlangt er seine Entlassung und im Mai reist er ab. Erst will er in den Krieg gehen, (sich töten lassen?), kommt aber davon ab. Geht zurück in die Nähe von Lotte. Trifft die Bauersfamilie wieder, die Mutter hat ihren jüngsten Sohn verloren, der Mann ist ohne Erbschaft aus der Schweiz zurückgekehrt.

Im September trifft er Lotte wieder und geht von nun an häufig bei ihr und Albert zu Besuch. Er quält sich sehr. Ende November trifft er auf einem Spaziergang einen Verrückten und erfährt, dass dieser Schreiber bei Lottes Vater war und aus Liebe zu ihr durchgedreht ist. Sieht so sein Spiegelbild.

Am 20. Dezember ermahnt Lotte ihn, seine Besuche einzuschränken, da die Leute schon beginnen zu reden. Werther kommt zum Schluss, dass einer von ihnen drei weg muss und beschliesst, sich zu opfern.

Er besucht Lotte ein letztes Mal vor dem Weihnachtsabend. Er liest aus traurigen Gesängen vor, sie werden von Gefühlen überwältigt, Werther küsst Lotte. Lotte befreit sich und flieht ins Nebenzimmer. Am folgenden Tag lässt Werther nach den beiden Pistolen von Albert schicken und erschiesst sich.

Zum Autor

Johann Wolfgang von Goethe

28.08.1749 Geboren in Frankfurt am Main
1765-1768 Studium der Rechte in Leipzig
1768-1769 Blutsturz, Liebe zu Friederike Brion. Verbindung zu den Stürmern und Drängern
1770-1772 Studium in Strassburg, Advokat in Frankfurt
1772 Liebe zu Charlotte Buff, (Vorlage für Charlotte im „Werther“)
1772 Schreibt „Die Leiden des jungen Werther“,
– 1775 G. wird über die Grenzen hinaus bekannt.
1775 1. Schweizerreise, Verlobung mit Lili Schönemann,
Flucht nach Weimar, lernt Charlotte von Stein kennen und hat Verbindung mit ihr bis 1788
1779 2. CH-Reise, Minister in Weimar, Amt als Strassenbauminister
1780-1783 Iphigenie auf Tauris, Torquato Tasso“ begonnen
1784 Er entdeckt den Zwischenkieferknochen, botanische Studien
1786 Zweitfassung des „Werthers“.
-1788 Flucht aus Karlsbad, Italienreise
1789 Sohn August mit Christiane Vulpius
1790 2. Italienreise, Beginn der Farbenlehre
1791 Leitung des Hoftheaters in Weimar
1792 Goethe nimmt am Feldzug gegen Frankreich teil
1794 Beginn Freundschaft mit Friedrich Schiller
1797 3. Schweizerreise, Unterlagen für Willhelm Tell an Schiller
1805 Schiller stirbt mit 45 Jahren
1806 Goethe heiratet Ch. Vulpius, beendet Faust I
1816 Christiane Vulpius stirbt.
1830 Im Oktober stirbt sein Sohn August in Rom.
22.03.1832 Goethe stirbt in Weimar, seine letzten Worte: “Mehr Licht”

1. Teil Vergleich Werther-Edgar

1772: Werther
Vater inexistent
Er ist anfangs 20, hat einen Bruder, geht weg von der Mutter, um Geschäfte zu machen
Schreibt seinem Bruder Wilhelm Briefe
Ist glücklich in der Natur und mit Malen und Literatur, Liest Homer -> Odyssee
Trifft Lotte, verliebt sich sofort
Lotte schaut zu ihren 8 kleinen Geschwistern
Werther liebt Lottes schwarze Augen
Albert, ihr Verlobter, kommt aus dem Ausland zurück
Befreundet sich mit Albert, sind zu dritt unterwegs
Albert hat viel Arbeit mit seinen Geschäften.
Scheinausweg: Trennung, wird Angestellter eines Gesandten in einer anderen Stadt
Fühlt sich ausgeschlossen aus der Gesellschaft, ist nicht adelig
?
Lotte und Albert haben geheiratet. Werther trifft Lotte wieder, merkt, dass Albert sie nie so lieben wird wie er das tut. Er küsst Lotte, sie rennt ins Nebenzimmer, die Situation eskaliert, Werther weiss, dass einer gehen muss und opfert sich. Er erschiesst sich mit Alberts Pistolen. SELBSTMORD

 
Bewertung: 5 Kronen

„Die neuen Leiden des jungen W.“ von Ulrich Plentzdorf

plentzdorf_leidenEdgar Wibeau, Lehrling in einer DDR-Kleinstadt, bricht nach einem Streit mit seinem Meister die Lehre ab, verläßt sein Zuhause bei seiner Mutter (der Vater lebt allein in Berlin) und findet Unterschlupf in einer abbruchreifen Laube in Ost-Berlin. Zufällig entdeckt er auf der Toilette ein altes Exemplar von Goethes Roman „“Die Leiden des jungen Werthers“, dessen Umschlagseite zwar fehlt, den er aber mit wachsendem Interesse in einem Zug durchliest. Durch Zitate aus diesem Roman, die seine eigene Situation spiegeln und die er auf ein Tonband spricht, hält er Kontakt zu seinem Freund Willi.

Auf dem Nachbargrundstück neben der Laube lernt er die 20jährige Kindergärtnerin Charly kennen, verliebt sich in sie und teilt Willi die Begegnung sowie die dadurch ausgelösten Gefühle durch passende Zitate aus Goethes „Werther“ mit.

Als Charlys Verlobter Dieter nach seiner Militärzeit zurückkehrt und ein Studium aufnimmt, heiratet Charly ihn, und sie ziehen fort. Später besucht Edgar Charly noch einmal, macht eine Bootsfahrt mit ihr, sie küssen sich, aber sie kehrt zu ihrem Mann Dieter zurück.

Um Geld zu verdienen, geht Edgar auf den Bau und arbeitet in einer Malerbrigade, die nebenbei mit der Entwicklung eines „nebellosen Farbspritzgerätes“ beschäftigt ist. Hier entwickelt Edgar nun – von Brigadeleiter Addi feindselig beobachtet, aber von Zaremba, einem Kumpel aus der Brigade, freundschaftlich gestützt – den Ehrgeiz, heimlich in seiner Laube selbst das nebellose Farbspritzgerät zu bauen. Kurz vor Beendigung seiner Arbeit erleidet er einen 380-Volt-Stromschlag und stirbt.

Zum Autor

26.10.1934 Geboren in Berlin-KreuzbergSeine Eltern sind Mitglieder der KPD und werden wiederholt von den Nationalsozialisten verhaftet.
1952 -1955 Studium der Philosophie Leipzig, nur 3 Semester
1955 -1958 Bühnenarbeiter bei der DEFA
1958/1959 – Soldat in der Nationalen Volksarmee
1959 – 1963 Studium an der DDR-Filmhochschule in Babelsberg
Ab 1964 Engagement als Szenarist und Dramaturg bei der DEFA. Plenzdorf schreibt mehrere Filmszenarien
1971 Er erhält den Heinrich-Greif-Preis 1. Klasse für „Kennen Sie Urban?“
1972 In Halle wir das Stück „Die neuen Leiden des jungen W.“ uraufgeführt. Es wird zu einem sensationellen Erfolg in Ost und West. Wird von der Fachkritik als wirklichkeitsgetreue Beschreibung des Lebensgefühls der ostdeutschen Jugend eingestuft.
1973 Premiere seines Filmes „Legende von Paul und Paula“, der in der DDR ein grosser Erfolg wird.Heinrich-Mann-Preis
1978 Auszeichnung mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis für seinen inneren Erlebnis-Monolog „Kein runter, kein fern“.
1986 und 1989 Uraufführungen von Plenzdorfs Theaterstücken „Ein Tag länger als ein Leben“ und „Zeit der Wölfe“ nach Romanen von Tschingis Aitmatow. Beide Dramatisierungen stellen eine kompromißlose Abrechnung mit dem Stalinismus dar
1991 3. Oktober: Am Abend des Tages der deutschen Einheit zeigt die ARD Plenzdorfs Film „Häschen hüpf oder Alptraum eines Staatsanwalts“. Es zeigt die Bundesrepublik nach der Wiedervereinigung in einer Mischung aus Rückblende und Vorgriffen auf Ängste und Befürchtungen.
1992 Plenzdorf löst Jurek Becker als Drehbuchautor für die ARD-Serie „Liebling-Kreuzberg“ mit Manfred Krug ab.
1993/1994 Im ZDF wird Plenzdorfs Fernsehspiel „Vater Mutter Mörderkind“ gezeigt, das die Geschichte des Adoptivkindes eines Terroristen, der in der DDR untertaucht und nach der Wiedervereinigung ins Gefängnis kommt, darstellt. Das Stück wird noch im gleichen Jahr in Halle als Theaterstück aufgeführt und 1994 in Buchfassung veröffentlicht.
1997 Mitunterzeichner der „Erfurter Erklärung“, in der ein Linksbündnis von SPD und Bündnis 90/ GRÜNE ohne Ausgrenzung der PDS zur Ablösung der Regierung Kohl gefordert wird.
Heute Plenzdorf lebt abwechslungsweise in Berlin oder einem Dorf bei Oderbruch

2. Teil Vergleich Edgar-Werther

1972: Edgar

Ohne Vater aufgewachsen
17 jährig, Einzelkind, schmeisst die Lehre, rückt von zu Hause aus, geht weg von der Mutter
Schickt seinem Kumpel Willi Tonbänder mit Goethe-Zitaten aus „Werther“
Glücklich in der Laube, weiss aber um Zukunftslosigkeit, will Kunstmaler werden.
Trifft Charlie (die eigentlich gar nicht so heisst), verliebt sich sofort
Charlie ist Kindergärtnerin
Edgar liebt Charlies Scheinwerfer
Dieter, ihr Verlobter kommt aus dem Militärdienst zurück
Befreunden sich, sind zu dritt unterwegs
Dieter beginnt Studium, hat viel zu tun
Schweinausweg: Lässt sich als Maler in einer Brigade anstellen
Fühlt sich ausgeschlossen ausgeschlossen aus der Gesellschaft, ist zu aufmüpfig
Sucht als Monteur verkleidet seinen Vater auf. Gibt sich aber nicht zu erkennen.
Charlie und Dieter haben geheiratet. Trifft Charlie wieder, diese merkt, was sie an Edgar hatte, aber er war ihr zu jung.
Küssen sich auf Bootsfahrt. Charlie rennt davon, Edgar will Selbstwertgefühl steigern mit Erfindung einer Farbspritze, die er mit von Dieter geborgtem Werkzeug baut. Kriegt Stromschlag und stirbt.
UNFALL

Kurze Kritik

Interessant ist es, die beiden Bücher, das eine ist genau 200 Jahre später geschrieben worden, parallel zu vergleichen. Die Facts von Goethe wurden von Plenzdorf fast alle übernommen und in die „heutige“ Zeit(die ja auch schon 30 Jahre her ist) versetzt.

Wir diskutieren sehr angeregt über die beiden Bücher. Jene, die den „junge W.“ bereits früher gelesen haben, mögen ihn mehr. Man findet sich wieder, meinen einige. Wir haben z. T. auch einige der Lebensweisheiten von Edgar übernommen. Hier eine Kostprobe:

Lieblingszitate:

„Kein Mensch sagt ja auch Nivau statt Niveau.“ (S. 14)

„Ich meine natürlich echte Jeans. Es gibt ja auch einen Haufen Plunder, der bloss so tut wie echte Jeans. Dafür lieber gar keine Hose.“ S. 26

„Es tötet mich immer fast gar nicht, wenn ich so einen fünfundzwanzigjährigen Knacker mit Jeans sah, die er sich über seine verfetteten Hüfte gezwängt hatte und in der Taille zugeschnürt.“ S. 27

„Ich meine, Jeans sind eine Einstellung und keine Hosen.“ S. 27

„Sowieso sind meiner Meinung nach in jedem Buch fast alle Bücher….Ich meine, um ein Buch zu schreiben, muss einer ein paar tausend Stück andere gelesen haben. …

„Es kommt nicht so drauf an, dass man etwas kann, man muss es draufhaben, so zu tun.“ S. 45

„Ich hatte auch keine besonders umwerfenden Sehorgane in meinem ollen Hugenottenschäder. Richtige Schweinsrippen gegen Charlies Scheinwerfer.“ S. 50/51

„Schade war bloss, dass ich nicht sehen konnte, wie Old Willi umfiel. Der fiel bestimmt um. Der kriegte Krämpfe. Der verdrehte die Augen und fiel vom Stuhl.“ S. 51

„Erst dachte ich, mich streift ein Bus, Leute, ..“ S. 52

„Aber ich analysierte mich kurz und stellte fest, dass ich gar nicht alles wollte.“ S. 54

„Verlobte tauchen immer erst dann auf, wenn es ernst wird. „ S. 55

„ Wenn einer geistig weit über die Siebzehn raus ist, ist er doch schön blöd, die Wahrheit (über sein Alter) zu sagen, wenn er ernst genommen sein will.“ S. 58

„Ich weiss nicht, wie man das nennen muss, wenn Leute wegen langer Haare ewig angestänkert werden. Ich möchte wissen, wem man damit irgendwas zuleide tut?“ S. 62

„Ich konnte vier Minuten tauchen, drei Tage hungern oder einen halben Tag keine Musik hören..“ S. 68

„ Ich dachte, mich tritt ein Pferd.“ S. 71

„Ich hatte nichts gegen die Armee. Ich war zwar Pazifist, vor allem, wenn ich an die unvermeindlichen achtzehn Monate dachte. Dann war ich ein hervorragender Pazifist.“ S. 77

„Zum Dafürsein gehört kein Mut. Mutig will aber jeder sein. Folglich ist er dagegen.“ S. 81

„Ich nahm jedenfalls zeitlebens immer erst zuviel Wasser, dann zuviel Gips und so weiter.“ S. 92

…“und es wird dir auf die Dauer nicht viel übrigbleiben, als dich einzufügen und mitzuziehen.“ S. 98

„Ich meine nicht, dass da alles aufeinander abgestimmt war, Die Sessel nach dem Teppich. Der Teppich nach den Gardinen. Die Gardinen nach den Tapeten und die Tapeten nach den Sesseln, so was konnte mich fast immer gar nicht töten.“ S. 120

„Ich kann nur jedem sagen, der auf ein Mädchen oder eine Frau scharf ist, der muss sie loben. Bei mir gehörte das einfach zum Service.“ S. 120

„Ich hatte nie im Leben gedacht, dass ich diesen Werther mal so begreifen würde.“ S. 124

„Ich wollte zeitlebens nie den gleichen Weg zurück machen, den ich irgendwo hingegangen war.“ S. 133

„Und trotzdem sass ich da und liess Charlie laufen. Zwei Tage später war ich über den Jordan, und ich Idiot sass da und liess sie laufen und dachte bloss daran, dass ich das Boot jetzt allein zurückbringen musste.“ S. 135

„ Ich war immerhin sein grösster Erziehungserfolg.“ S. 139

„..ich hätte nie im Leben freiwillig den Löffel abgegeben.“ S. 147

Worterklärungen und Lieblingswörter:

Hugenotte: Protestant im alten Frankreich des 15. und 16. Jahrhunderts

Rupfenjacke: (s. 26) grobes Jutegewebe, hauptsächlich für Säcke oder Wandbespannungen

Tiffig: billig, erbärmlich

Händelson Bacholdy: Verballhornung von Felix Mendelson Bartholdy (dt. Komponist)
Geistreiche Namensschöpfung aus den Musikernamen Händel, Bach und Menelson-Bartholdy

Brigade: Arbeitsgruppe

sich fläzen: (S. 47), umgangssprachlich für sich hinlümmeln, rekeln

Silberblick: leich schielen

Das Paneel: Holzvertäfelung

Vergnatzt: (S. 102), eingeschnappt

Pingelte: (S. 104), hämmerte eine Weile

Tabula rasa: reinen Tisch machen

Statiker: Statiker berechnen u. a. die Tragfähigkeit von Brücken , die Standfestigkeit von Gebäuden. (Lehre vonden Kräften, die an nicht beweglichen Körpern antreten.
Zu hoher Hugenottenblutdruck (S. 14)
Es poppt nicht
Du bist ein Steher!
Heiterkeitserfolg (S. 100)
Werther-Pistole
Provinzmutti (S. 105)
Verdünnisieren
Heuhusten
Das Onkel-Na (S. 118)