Bewertung: 4

Sabahattin Ali – Yusuf

Bewertung: 4 Kronen

 

Yusuf, ein kleiner Dorfbub, wird von Landrat Salahattin Bey neben seinen toten Eltern vorgefunden. Er nimmt ihn mit nach Hause und er wächst zusammen mit dem Töchterchen Muazzez auf. Er hört bald mit der Schule auf, weil er findet, dort wird ihm nichts Wichtiges beigebracht. Er befreundet sich mit dem Krämerjungen Ali und legt sich mit dem einflussrechen, aber üblen Sakir an. Er heiratet Muazzez, die er von Jung an zärtlich liebt. Doch er kann nicht für sie aufkommen und gibt sie dem Verderben preis.

Über den Autor

Sabahattin Ali wurde 1907 im Westen des Osmanischen Reiches geboren. Er studierte in Deutschland und war anschliessend als Lehrer tätig. Er wirkte als Übersetzer und Dramaturg in Ankara. Wegen linker Propaganda wurde er 1931 inhaftiert, ein Jahr darauf verfasste er ein Spottgedicht gegen Atatürk. Das brachte ihm ein Jahr Gefängnis ein. Er fungierte zusammen dem Schriftsteller Aziz Nesin als Herausgeber eines Satiremagazins. Darin machten sie auf soziale Missstände aufmerksam. In den 40er Jahren wurde Ali zunehmend verfolgt. Auf seiner Flucht 1948 wurde er unter ungeklärten Umständen nahe der bulgarischen Grenze ermordet.

Diskussion zum Thema

Gräfin 2: Es sollte eigentlich eine Trilogie werden. Leider verstarb der Schriftsteller vorher. Deshalb verlaufen einige Erzählstränge auch im Leeren. Ich wählte dieses Buch, weil im Radio eine Sendung lief über eine Übersetzerin aus Luzern. Das fand sie spanenden, und da ihr die Türkei fremd ist, war die Wahl schnell getroffen. Ihre Erwartungen wurden erfüllt. Die Geschichte wurde in einer blumigen, aber einfachen Sprache erzählt. Trotz der fremden Namen war es jederzeit verständlich und nachvollziehbar. Der Stil war bildlich und ansprechend, und jederzeit interessant. Dennoch blieb eine Distanz zu Yusuf bestehen, beeinträchtigt aber den Genuss des Lesens keineswegs. Schwieriger war, dass die Figuren sehr stereotyp waren. Auch das Integrieren setzten ihr sehr zu. Muazzez ist lieb, aber ein Opfer. Der Vater zu lieb, er wird zum Säufer. Die Mutter ist kaltherzig, wird aber nicht psychologisch betrachtet. Der Schluss war sehr konsequent, aber die vielen offenen Sachen liessen sie etwas verwirrt zurück. Schicksalsschläge machen stark, man darf nie aufgeben, sondern muss etwas daraus lernen. Das erwarten wir von einem Protagonisten.

Gräfin 5: Wie immer, wenn es ein ganz fremdes Buch ist, hat sie das Lesen auf die lange Bank geschoben. Doch kaum begonnen, hat sie es in einem Rutsch durchgelesen. Sie ist voll in Zeit und Raum eingetaucht. Hat Anatolien gerochen und geschmeckt, Staub und Blut gerochen. Nebenbei hat sie auch oft die Hintergründe gegoogelt und historisches nachgelesen. Dennoch, das Buch ist schwierig, es hat viele lose Enden: wieso sind die Eltern von Yusuf gestorben? Wieso musste er den Daumen verlieren? Die vielen Stereotypen fand sie okay. Sie wurde mit einer tollen Geschichte bedient, bekam was sie erwartete. Einige der Erzählstränge hätte sie gerne weitergelesen. Sie ist froh, dass sie nun weiss, dass es eine Trilogie hätte werden müssen. Sie hat das Buch mit viel Vergnügen gelesen und hatte viel Freude daran. Die Sprache war sehr blumig, schwülstig, wie ein schweres Parfüm. Es erinnerte sie entfernt an „Die gute Erde“. Das Buch hat sie mitgetragen wie auf einem fliegenden Teppich. Auf ihren Rat hin hat das FMZ das Buch angeschafft.

Gräfin 3: Das Buch gefiel ihr nicht. Es war wie Jane Austin auf Türkisch. Alles war ihr zu klebrig, zu Türkisch, es ging nicht voran. Weil die Klischees alle bedient wurden, hat sie sich zeitweise sogar geärgert. Vielleicht weil es so ist? Damit konnte sie nicht so gut umgehen. Eigentlich war es ja eine Liebesgeschichte ohne Happy End. Für sie war Yusuf der Mörder von Muazzez. Jedenfalls hat er sie in den Tod getrieben. Er hat sich immer alles kaputt gemacht. Sie erwartete von ihm, dass sie eine starke Persönlichkeit ist. Das war er aber nie.

Gräfin 4: Sie hat lange gewartet, um mit Lesen anzufangen. Sie kam einfach nicht in die Geschichte hinein. Ihr bereiteten die Namen ziemlich Mühe. Die Hauptfigur Yusuf war für sie stimmig. Mit dem Schluss war sie zufrieden, sie erwartete nichts, er schlüpfte so durch. Die Hinterlistigkeit und Korruptheit machten ihr aber zu schaffen. Sie hat die Geschichte sehr gestresst. Sie las nur bis in die Mitte, dann noch den Schluss. Sie erträgt Gewalt nur schlecht, auch in Büchern. Sie will sich dem auch nicht aussetzen. Diese bildhafte Sprache tat ihr nicht gut. Alleine hätte sie das Buch nie gelesen. Sie konnte sich die Leute im Buch gut vorstellen. Auch die Normalität, dass er Oberhaupt der Familie wird, nur weil er der Mann war. Und ja, Geld regiert die Welt.

Gräfin 6: Sie begann sofort mit Lesen, weil sonst hätte sie es nicht geschafft. Die ersten 150 Seiten gefielen ihr super. Und überhaupt: sie fand das ganze toll. Ihr kam oft der Film „Der Mustang“ in den Sinn. Die Frau hat nichts zu sagen, darf nichts zeigen, wird eingepresst. Als der neue türkische Staat gegründet wurde, waren sie wohl weiter als jetzt mit der Emanzipation! Das Buch hatte wohl Längen, dies dadurch, dass die Personen sich nicht entwickelten. Vor allem Yusuf, er wurde zu allem gedrängt. ER meisterte zwar sein Leben, aber er war planlos. Die Sprache ist sehr schön, der Schluss passt, ist logisch und konsequent. Kübra beschäftigte ihn, gefiel ihm eigentlich besser als Muazzez. Sie war positiv überrascht. Im Gegensatz zu anderer türkische Literatur, die sie bereits gelesen hat, gefiel ihr dieses Buch.

Zitate

Gräfin 5: S. ??? „Ohne dass es jemandem aufgefallen wäre, gab inzwischen Yusuf zu Hause den Ton an.“

Gräfin 6: S. 138: „Doch wie alle anderen jungen Mädchen, die wie Haustiere – jedoch wesentlich nutzloser als jene – im Haus eingeschlossen heranwuchsen, besass glücklicherweise auch Muazzez die Fähigkeit zu warten, stunden-, tage-, monate- ja jahrelang, ohne dabei irgendeiner körperlichen oder geistigen Beschäftigung nachzugehen.“

Gräfin 4: S. 168: „Muazzez öffnete einen Schrank, in dem sich auch das Kaffeegeschirr und ein Beutel mit Wäscheklammern befanden, zog aus einem Haufen übereinandergestapelter Bücher auf dem mittleren Tablar einen dicken Band hervor und brachte ihn ihrem Vater.“

Gräfin 2: S. 254: „Wenn du also ein ruhiges Leben führen möchtest, dann sage dir, dass auch die schlechtesten Dinge, die du um dich herum wahrnimmst, ihre Berechtigung habenmüssen, und lass es dir vor allem nicht einfallen, die Welt verbessern zu wollen.“

Gräfin 3: S. 302 „Was hatten diese ganzen Unannehmlichkeiten mit ihm zu tun? Es war ihm, als steckte da ein zweiter, ganz anderer Yusuf in ihm, der mit Ekel und Verachtung auf den armen Kerl herabsah…“