Bewertung: 4

Schneider Robert – Schlafes Bruder

 

Bewertung: 4 Kronen

 

Schlafes BruderDie Geschichte handelt von Johannes Elias Alder, der Ende des 18. Jahrhunderts in einem vorarlbergischen Bergdorf zur Welt kommt. Er besitzt das absolute Gehör, hört, wie Blätter zu Boden fallen oder den Herzschlag der ungeborenen Elsbeth, seiner grossen Liebe.

Elias aber wird nicht gefördert oder ernst genommen, sondern als Andersartiger von den Bergdörflern verstossen und verspottet. Er liebt seine Cousine Elsbeth innig. Er getraut sich aber nicht, seine Liebe zu gestehen. Und obwohl sie ihm auch zugetan ist, heiratet sie auf das Drängen ihres Bruders Peter hin den Lukas Alder.

Peter seinerseits will den Elias für sich behalten. Er liebt ihn ebenfalls, doch auch diese Liebe ist glücklos. Deshalb stellt er sich auch zwischen Elias und seine Schwester und verhindert, dass sie zusammen kommen können.

Als Elias sieht, dass seine Liebe zu Elsbeth vergebens ist, zieht er sich zurück und bringt sich durch Schlafentzug zu Tode. Dabei hilft ihm Peter, der ihn wachhält und mit Pilzen und Beeren füttert, die Rauschmittel enthalten.

Er begräbt auch den Elias heimlich, die Dorfbewohner müssen annehmen, dass Elias von einem Konzert, das er in Feldkirch gegeben hat, nicht zurückgekehrt ist in das heimatliche Dorf.

Zum Autor

1961
am 16. Juni in Bregenz (Österreich) geboren

1963
Adoption durch Bauernleute Schneider

1981-86
Studium der Komposition, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft in Wien

1992 „Schlafes Bruder“ erscheint im Reclam Verlag Leipzig
(von 23 Verlagen vorher abgelehnt!) Übersetzungen in 11 Sprachen

1994
Literaturpreis der Salzburger Osterfestspiele

heute:
wuchs in Meschach, einem Bergdorf in den rheintalischen Alpen auf, wo er heute als freischaffender Schriftsteller lebt.

Kurze Kritik

Schneider zeichnet die Bewohner des Bergdorfes überspitzt, schildert die bäuerliche Welt düster und dumpf. Teilweise ist die Geschichte recht theatralisch und brutal. Alle lasen das Buch mit viel Emotionen, man leidet mit, hasst mit, das Buch lässt einem auf keinen Fall kalt.

Die Figuren sind sehr archaisch, rau, roh und ungebildet. Sie sind übertrieben gezeichnet. Elias ist mystisch, verklärt, “nicht von dieser Welt“.

Wir waren uns nicht einig, ob es sich um ein Märchen (..aber das hat doch immer ein gute Ende) oder eine Parabel handelt. Auf alle Fälle ist die Geschichte fiktiv, frei erfunden, eine mystische Geschichte.

1. Es war für sie ein Buch, das sie definitiv nicht brauchte. Sie hat es nur mit Abscheu gelesen.

2. Freiwillig hätte sie das Buch nie fertig gelesen. Es war für sie zu keiner Zeit ein Vergnügen, dieses Buch zu lesen. Es war einfach nur grausig.

3. Fühlte sich manchmal richtig überfahren, konnte sich nur häppchenweise mit dem Buch abgeben. Manchmal habe sie sich wie geohrfeigt gefühlt. Das Buch ist faszinierend, fesselnd und hat sie gleichzeitig abgestossen. Aber die Sprache allein macht das Buch lesenswert. Hätte es ohne Gräfinnen nicht gelesen.

4. Wie der Autor mit der Sprache die Musik erklingen lassen kann, hat sie begeistert. „Es war grandios, ich hörte die Musik beim Lesen!“ Noch nie hat sie ein so lautmalerisches Buch gelesen. Sie ist tief beeindruckt.

5. Noch nie hat sie ein so widersprüchliches Buch gelesen, das ihr so tief rein ging. Die Sprache ist furios, grandios, meisterlich. Sie genoss die Wortschöpfungen. Bei ihr hat das Buch Fragen gestellt: Was ist Talent wert? Würde das Buch jederzeit weiterempfehlen, auch mit dem Wissen, das man das Buch eben so gut hassen wie lieben kann.

6. Es ist ein widersprüchliches Buch, welches tiefe Gefühle weckt. Sie las es in einem Zug durch, weil die Sprache dermassen faszinierend und fesselnd ist. Ein unvergessliches Buch.

Lieblingszitate

S. 14
„Welch prachtvolle Menschen, Philosophen, Denker, Bildner und Musiker muss die Welt verloren haben, nur weil es ihnen nicht gegönnt war, ihr genuines Handwerk zu erlernen.“

S. 30
„Der Mond eine zerbrochene Hostie, die Sonne die Wange der Mutter.“

S. 51
„Fritz war zeitlebens ein so unbedeutender Mensch, dass wir ihn dem Leser am liebsten überhaupt unterschlagen möchten.“

S. 62
„Der Blasbalgentreter Warmund Lamparter, ein werktagscheuer Mensch, der noch dazu so wüst trank, bis er nicht einmal mehr die Dunkelheit sehen konnte, war an diesem Sonntagmorgen mit einem zuhöchst weingeistigen Gesicht auf der Empore erschienen.“

S. 149
„Erlösung aber ist die Erkenntnis der Sinnlosigkeit allen Lebens.“

S. 175
„Nein, der da oben machte nicht bloss Musik, er predigte.“

Zum Buch

„Schlafes Bruder“ von Robert Schneider
Taschenbuchausgabe, Reclam Verlag, Leipzig, 1994