Bewertung: 5

Stefan Zweig – Schachnovelle

Bewertung: 5 Kronen

 

Die Rahmenerzählung spielt an Bord eines Passagierdampfers von New York nach Buenos Aires. Der Ich-Erzähler, ein österreichischer Emigrant, erfährt von einem Bekannten, dass auch der amtierende Schachweltmeister Mirko Czentovic an Bord ist und versucht, seiner stetigen psychologischen Neugier folgend, in persönlichen Kontakt mit dem zurückhaltenden und verschlossenen Sprössling einer einfachen Donauschifferfamilie zu treten.

Czentovic wurde als Waise von einem Pfarrer aufgezogen, der dem offenkundig minderbemittelten und scheuen Jungen zumindest einige schulische Grundkenntnisse zu vermitteln versuchte. Doch auch nach jahrelangen Bildungsbemühungen blieb das Kind ein langsamer und ungebildeter Landbursche ohne ersichtliche Begabung. Als Czentovic jedoch zufällig ein Schachspiel gegen einen Freund des Pfarrers gewinnt, zeigt sich sein wahres Talent: Czentovic ist ein Schach-Genie.

Damit beginnt Czentovics Aufstieg. Im Alter von zwanzig Jahren erlangt er schließlich den Weltmeistertitel und reist als bezahlter Turnierspieler durch die Welt. Die Tatsache, dass ein einfacher Junge ohne intellektuelle Begabung die gesamte Schachwelt düpiert, andererseits aber auch aus Gewinnstreben gegen Amateure spielt, bringt ihm die Missgunst der Schachspielerzunft ein.

An Bord des Schiffes befindet sich ebenfalls ein wohlhabender Ölmagnat namens McConnor. Als dieser von der Anwesenheit des Schachweltmeisters erfahren hat, setzt er sich in den Kopf, gegen diesen anzutreten und – bedingt durch seinen ausgeprägten Siegeswillen – auch gegen ihn zu gewinnen. Czentovic erklärt sich – gegen Zahlung eines Honorars – zu einer Schachpartie bereit. Er besteht jedoch darauf, nicht nur gegen McConnor; sondern vielmehr gegen alle Anwesenden anzutreten. Der Schachweltmeister gewinnt mühelos die erste Partie, und der ehrgeizige Ölmillionär verlangt Revanche. Die bereits abzusehende zweite Niederlage McConnors wird durch den spontanen Eingriff eines Fremden abgewendet, der sich Dr. B. nennt und offenbar ein weitaus besserer Spieler ist als McConnor – zumindest verhält sich Czentovic so, als sei jetzt überhaupt erst ein Gegner vorhanden. Die Partie endet Remis. Allerdings ist Dr. B. nicht gewillt, eine weitere Partie zu spielen, was erst recht das Interesse des Ich-Erzählers weckt.

Am folgenden Tag kommen die beiden ins Gespräch, und Dr. B. erzählt seine Lebensgeschichte. Im Österreich der 1930er Jahre, also vor dem sogenannten Anschluss an das Deutsche Reich, war er Vermögensverwalter des österreichischen Adels und Klerus. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Österreich 1938 interessieren sich die Nationalsozialisten für ihn, da sie sich die Besitztümer der Klöster aneignen wollen. Um Einzelheiten über den Verbleib der von ihm verwalteten Vermögensposten zu erlangen, wird Dr. B. über Monate in Einzelhaft in ein Hotelzimmer gesperrt, wobei ihm jegliche Form der Ablenkung verwehrt wird. Nach zweiwöchiger völliger Isolation beginnt man dann, ihn in unregelmäßigen Abständen zu verhören. Aufgrund der totalen geistigen Deprivation beginnt sich Dr. B.s Geisteszustand allmählich zu verschlechtern.

Um nicht dem Wahnsinn anheim zu fallen und dabei unter Umständen noch Mitwisser zu verraten, stiehlt er schließlich ein ertastetes Buch aus der Tasche eines Mantels, der im Warteraum des Verhörzimmers hängt. Zu seiner Enttäuschung handelt es sich dabei jedoch nicht, wie erhofft, um anregende Literatur, sondern um eine Sammlung berühmter Schachpartien. Um trotzdem einer geistigen Betätigung nachzugehen, beginnt Dr. B. in seiner Isolation die Partien nachzuspielen und auswendig zu lernen, was ihm nach einigen Monaten vollständig gelingt. Nachdem alle Partien den Reiz des Neuen verloren haben, beginnt er, neue Partien gegen sich selbst zu spielen. Dazu sieht er sich gezwungen, zwei unabhängige geistige Instanzen zu erschaffen, was zu einer Persönlichkeitsspaltung führt.

Das Schachspielen gegen sich selbst entwickelt eine derartige Eigendynamik, dass das jeweils unterlegene „Ich“ – er bezeichnet seine beiden Persönlichkeiten als „Ich Schwarz“ und „Ich Weiß“ – nach einer Partie sofort und vehement Revanche fordert. Dies führt bei Dr. B. zu einem Zustand, den er als „Schachvergiftung“ bezeichnet. Das versetzt ihn in einen wahnartigen Zustand, in dem er seinen Zellenwärter angreift und ein Fenster einschlägt, wobei er sich schwer an der Hand verletzt. Er wird in ein Krankenhaus eingeliefert, wo ihn der ihm wohlgesinnte behandelnde Arzt bewusst als nicht mehr zurechnungsfähig diagnostiziert, was Dr. B.s Rückkehr in die Einzelhaft verhindert. Soweit die Erzählung Dr. B.s.

Dr. B. erfährt dann vom Ich-Erzähler, dass es sich bei seinem Gegner um den Schachweltmeister Czentovic handelt, und lässt sich zu einer Partie überreden, um auf diese Weise herauszufinden, ob er eine reale Schachpartie mit einem realen Gegner bestehen kann. Um nicht erneut eine Schachvergiftung zu erleiden, stellt er die Bedingung, nur eine einzige Partie zu spielen. Diese Partie gewinnt er souverän, jedoch macht es ihn nervös, wie viel Zeit sich sein Gegner, der Weltmeister, für jeden Zug lässt.

Nach seiner Niederlage bietet Czentovic eine weitere Partie an, worauf Dr. B. sofort eingeht. Während der Meister nun absichtlich extrem langsam spielt, erwacht bei Dr. B. offenbar die Schachvergiftung erneut: er verfällt in typische Verhaltensweisen der Einzelhaft, geht unkontrolliert hin und her, verspürt brennenden Durst und herrscht seinen Gegner unhöflich an. Während Czentovic am Zug ist, schweift Dr. B.s rastloser Sinn ab zu anderen Partien, bis ihm die Trennung zwischen realer Spielsituation und den Spielen im Kopf nicht mehr gelingt, so dass er schließlich einen unerlaubten Zug ausführen möchte und verwirrt feststellt, dass die Situation auf dem Brett überhaupt nicht mit der in seinem Kopf übereinstimmt.

Der Ich-Erzähler, der um Dr. B.s geistige Situation weiß, erinnert ihn an seine Krankheit und den Vorsatz, nur eine einzige Partie spielen zu wollen. Dr. B. versteht den Hinweis, entschuldigt sich bei den Anwesenden, beendet das Spiel und erklärt, dass er niemals wieder Schach spielen werde.

Zusammenfassung aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Schachnovelle

Starke Kontraste:

Im gesamten Werk fällt die fast schon primitive Reduktion auf Gut und Böse – oder Schwarz und Weiss im Schachspiel – auf. Alles was mit Gewalt oder Aggressivität in Zusammenhang gebracht werden kann, egal aus welchem Grund auch immer, wird von Zweig sehr negativ dargestellt. So beispielsweise die beiden Hauptcharaktere Czentovic und McConnor, aber auch Dr. B, der ansonsten als nett und zuvorkommend beschrieben wird, erhält sehr negative Attribute, als sein Verhalten während der Schachpartie gegen Czentovic wieder Symptome der Manie aufwies.

Novelle:

Nicht nur im Titel kommt die „Novelle“ vor, sondern auch vom formalen Gesichtspunkt aus betrachtet, macht die Schachnovelle ihrer literarischen Gattung alle Ehre, denn Zweig verarbeitet nahezu alle formalen und inhaltlichen Kriterien mustergültig. So ist beispielsweise die typische objektive Erzählhaltung, die in einer geschlossenen Form auf eine direkte Konfliktverarbeitung abzielt minutiös umgesetzt worden, genauso wie auch die Tatsache, dass in Novellen oft schicksalshafte Ereignisse behandelt werden.

Der nach der Buchvorlage unter der Regie von Gerd Oswald entstandene Film Schachnovelle hatte 1960 Premiere. Als Hauptdarsteller wirkten Curd Jürgens (Dr. B.) und Mario Adorf (Mirko Czentovic) mit. Eine „schachliche Beratung“ erfolgte durch Rudolf Teschner.

Hörbuchfassungen gibt es von Curd Jürgens, Reiner Unglaub und Christoph Maria Herbst. Eine Dramatisierung der Novelle erstellte Helmut Peschina. Der spanische Komponist Cristóbal Halffter arbeitet an einer gleichnamigen Opernfassung der Schachnovelle. Das Libretto stammt von Wolfgang Haendeler, die Uraufführung findet 2013 in Kiel statt.

Über den Autor

Stefan Zweig wurde am 28. November 1881 in Wien geboren. Früh als Übersetzer Verlaines, Baudelaires und vor allem Verhaerens hervorgetreten, veröffentlichte er 1901 mit 20 Jahren seine ersten Gedichte unter dem Titel „Silberne Seiten“. Sein episches Werk machte ihn ebenso berühmt wie seine historischen Miniaturen und die biographischen Arbeiten. Zweig lebte von ab 1919 in Salzburg. 1934 emigrierte er nach England und 1941 über die USA nach Brasilien. Im Februar 1942 schieden seine Frau und er in Petrópolis, Brasilien, freiwillig aus dem Leben. Die Schachnovelle erschien im November 1942 in einer limitierten Auflage von 300 Exemplaren in Brasilien und im Dezember 1943 im Stockholmer Exilverlag von Gottfried Bermann Fischer.

Zweigs Erinnerungen erschienen unter dem Titel „Die Welt von Gestern“ postum 1944.

Diskussion zum Thema

Gräfin 3: hat das Buch ausgewählt, weil es wieder einmal ein Klassiker ist, der ihr in ihrer Sammlung fehlt. Zudem spielt die Handlung auf einem Personendampfer und sie hat das Buch während ihrer Kreuzfahrt im Mittelmeer gelesen.

Es ist ihr leicht gefallen das Buch zu lesen. Jedes Wort ist platziert. Sie konnte sich die Schauplätze bildlich vorstellen, es war wie im Film. Auf der inhaltlichen Ebene fand sie sich gut zurecht, da sie sich durch die Diplomarbeit von Kuba zurzeit mit dem Thema Nazi-Deutschland befasst und so fügt sich die Schachnovelle gut ein. Sie kann sich die Insolationshaft gut vorstellen, so wie sie beschrieben wird.
Sie fand auch die Beschreibung der Personen gut:
Czentovic fand sie abgrundtief unsympathisch = schwarz. Dr. B. = weiss. Halt wie im Schach.

Das Buch hat ihr sehr gut gefallen, es war schneller und leichter lesbar, als sie gedacht hatte. Sie war beeindruckt, dass es 1942 geschrieben wurde.

Gräfin 6: Dachte, dass es ein Chrampf werden würde zum Lesen. Ein verregneter Sonntag-Nachmittag reichte dann. Die Sprache empfand sie als sehr präzise: kein Geschwätz! Sie wusste nicht, dass die Nazis als Foltermethode Personen in „einen Raum von Nichts“ gesperrt hatten. Dies war bestimmt eine sehr effiziente Methode. Schach war quasi die Rettung von Dr. B. Die Geschichte ergab für sie im Kopf viel mehr als die 100 effektiv bedruckten Seiten.
Philipp hat das Buch auch gefallen.

Gräfin 4: Las das Buch schnell und gerne. Es war kein Wort zuviel, genau wie es sein musste. Sie konnte sich gut vorstellen, dass Horror war, nach Tagen von Isolation noch stundenlang im Gang zu stehen und auf das Verhör zu warten. Nazis haben diese Taktik aufs Brutalste ausgenutzt. Sie hat keine Person als schlecht empfunden. Czentovic war naiv, jung, unsicher. Er hat sich auf nix eingelassen, ist jeder Diskussion ausgewichen. Gräfin 4 spielt selbst Schach und hasst es, wenn sie auf den Zug des Gegners/der Gegnerin warten muss. Ein Genie kann Züge im Voraus denken.

Zitate hat sie wenig gefunden. Sie hat nicht erwartet, dass Dr. B. durchdreht. Für so ein kleines Buch war es sehr gut. Sie wüsste aber nicht, wem sie es weiterempfehlen möchte.

Gräfin 2: Hat die Schachnovelle bereits in der Schule gelesen. Es hat sie damals nicht wahnsinnig beschäftigt, fand es aber nicht mühsam. Schach ist nur ein Aufhänger, um die Geschichte zu erzählen. Dass Dr. B. nicht mit vollem Namen erwähnt wurde, gefiel ihr nicht. Es kam ihr vor wie in Boulevardzeitung (Name der Redaktion bekannt). Das Buch wollte genau sein. Doch sie fand, dass Dr. B. einmal mit dem rechten Mundwinkel zuckte und einmal mit dem linken. Da ist sie pedantisch. Sie fragte sich auch, wer trägt ein Buch mit 150 Schachpartien mit sich herum (Gräfin 6 meint: mein Mann macht das!) Gräfin 2s Bruder hat früher gegen sich selbst Schach gespielt. Die Nazi-Zeit ist für sie nicht prägnant. Czentovic = heutiger Rapper. Arrogant, einfältig, für jeden Furz wollen sie Geld sehen.

Und zum Thema einfach: Zweig führt auch Schachtelsätze = Seite 22!

Dieser ist sonst niemandem aufgefallen! Aber er ist nicht ohne!!!

Gräfin 1: Hat das Buch gelesen, als sie von Salzburg heimgefahren ist. Sie hat es gefreut, wieder mal etwas Deutsches von einem deutschsprachigen Autor zu lesen. In den Übersetzungen gehen oft gewisse Feinheiten verloren. die Sprache der Schachnovelle empfand sie als modern. „Sie haben da einen raren Vogel an Bord.“ Sie empfand als hohe Kunst des Schreibens. Sie fragte sich, was der Autor wohl mit diesem Buch verarbeitet hat: Angst, Beklemmung? Der Geisteszustand der Wahnsinns konnte er gut beschreiben. Aus eigener Erfahrung? Sie empfand das Buch wie Theater: verschiedene Szenen, sie als Zuschauerin, Distanziertheit in einer guten Art. Das Lesen selbst empfand sie als entspannend. Sehr dicht geschrieben aber überhaupt nicht kompliziert.

Gräfin 5 lässt uns ihre Gedanken per Mail zukommen, Gräfin 3 liest sie vor.

Zitate

Gräfin 6: S. 18: Wie allen zähen Naturen fehlte ihm jeder Sinn für das Lächerliche;

Gräfin 2: S 63: Nun – vier Monate, das schreibt sich leicht hin: just ein Dutzend Buchstaben! (Bemerkung von Gräfin 2: es sind nur 10!)

Gräfin 4: S. 9: … und der gute Pater bemühte sich redlich, durch häusliche Nachhilfe wettzumachen, was das maulfaule, dumpfe, breitstirnige Kind in der Dorfschule nicht zu erlernen vermochte.

Gräfin 1: S. 87: Aber die Neugier behielt die Oberhand.

Gräfin 3: S. 25: Für Schach ist nun, wie für die Liebe, ein Partner unentbehrlich, und ich wusste zur Stunde noch nicht, ob sich ausser uns andere Schachliebhaber an Bord befanden.

Zum Weiterlesen

Ungeduld des Herzens, Zweigs einziger vollendeter Roman