Bewertung: 5

Wolfgang Borchert – Das Gesamtwerk

Bewertung: 5 Kronen

 

borchertJede der anwesenden Frauen stellt kurz ihre Lieblingsgeschichte vor und gibt eine Zusammenfassung davon ab:

(Zu erwähnen ist, dass uns allen der „Schischiphus“ am besten gefallen hat. Er war leicht und beschwingt, wir haben ihn aber bei der Bewertung ausgeklammert.)

1. (2x): „Die Hundeblume“ Die Gefängnisgeschichte Die Hundeblume, mit der ihm später der Durchbruch gelingen wird. Sie handelt von einem Gefangenen, der sich bei der monotonen Hofrunde nach einer am Rand wachsenden Blume sehnt.
Die Geschichte hat beide besonders gerührt, weil der Gefangene sich an so einer Kleinigkeit erfreut hat, und sogar das wird ihm genommen.

2. Ihr haben die Gedichte sehr gut gefallen, aber ganz besonders erwähnenswert fand sie das Zitat auf Seite 325: „Was morgen ist, auch wenn es Sorge ist, ich sage: ja!

3.: „Nachts schlafen die Ratten doch“ Ein Junge sitzt vor seinem zerbombten Haus und lässt sich durch nichts weglocken. Er bewacht den Schutt, damit die Ratten nicht seinen kleinen Bruder essen, der unter den Trümmern liegt. Erst als ein vorübergehender Mann ihm sagt, dass die Ratten nachts schlafen, kann er mit ihm mitgehen, um zu essen oder zu entspannen. Die Geschichte berührte Carmen vor allem deshalb, weil sie zeigt, dass nicht etwa nur der Aufknall der Bombe schlimm ist, das Sterben an und für sich nicht das Schlimmste ist, im Krieg. Überleben oder weiterleben dürfte manchmal schlimmer sein.

4.: „Der Kuss“ Ein Mädchen steht im Hauseingang und wird geküsst. Lesen und wirken lassen.

Zum Autor

1921
20. Mai: Wolfgang Borchert wird in Hamburg als Sohn eines Volksschullehrers und einer Mundartautorin geboren.
1936
Borchert schreibt erste Gedichte.
1939
Er beginnt eine Buchhändlerlehre, die er Ende 1940 abbricht. Anschließend nimmt er Schauspielunterricht und veröffentlicht erste Gedichte im „Hamburger Anzeiger“.
1941
Im März wird er an der Landesbühne Ost-Hannover, einer Wanderbühne, in Lüneburg als Schauspieler engagiert. Er selbst bezeichnet diese kurze Periode am Theater als die schönste seines Lebens. Im Juni wird er zum Kriegsdienst eingezogen.
1942/43
Borchert wird verwundet und erkrankt an Diphtherie. Er wird wegen Selbstverstümmlung angeklagt aber freigesprochen. Zunächst bleibt er jedoch in Untersuchungshaft und wird wegen „defätistischer Äußerungen“ zu mehreren Monaten Gefängnis verurteilt. Im November wird er zur „Bewährung“ an die Ostfront versetzt. Wegen Gelbsucht und Fleckfieberverdacht wird er im Dezember in ein Lazarett eingeliefert und Anfang 1943 aus der Armee entlassen.
1943
Borchert arbeitet als Kabarettist. Wegen einer Parodie auf Joseph Goebbels wird er verhaftet.

1944
Borchert wird wegen Defätismus (Zersetzung der Moral) zu neun Monaten Gefängnis verurteilt und in Berlin Moabit inhaftiert. Er wird vorzeitig zur „Feindbewährung“ an die Front entlassen.
1945
Nach seiner Flucht aus französischer Kriegsgefangenschaft kehrt Borchert als Schwerkranker nach Hamburg zurück und wird Regieassistent am Hamburger Schauspielhaus.
1946
Veröffentlichung der Gedichtsammlung „Laterne, Nacht und Sterne“ in der Borchert seine Gedichte aus der Zeit zwischen 1940 und 1945 veröffentlicht. Er schreibt Kurzgeschichten unter anderem die Erzählung „Die Hundeblume“. Darin thematisiert er Menschenschicksale in Kriegs- und Nachkriegszeit.
1947
Januar: Borchert schreibt unheilbar krank innerhalb einer Woche das expressionistische Drama „Draußen vor der Tür“. Hierin beschreibt er realistisch die Situation eines Kriegsheimkehrers sowie das Elend und die Einsamkeit, die die Kriegsgeneration nach dem desillusionierenden Kriegsende erwartet. Zunächst als Hörspiel gesendet wird das Drama am 21. November, einen Tag nach Borcherts Tod, in den Hamburger Kammerspielen uraufgeführt.
20. November: Wolfgang Borchert stirbt während eines Kuraufenthaltes in Basel/Schweiz.

Kurze Kritik

Aufgefallen ist allen, wie wortgewandt der Autor ist. Der Gebrauch von Adjektiven lässt auch Platz für alte Versformen wie der Stabreim (auch Alliteration genannt). Diese Neigung habe er von Rilke übernommen. Borchert scheut auch nicht vor Wortschöpfungen zurück, so hat Flavia vor allem beim Schischiphus das Wort: zigarrettenfingrig am besten gefallen.

Wir diskutieren sehr angeregt über die verschiedenen Geschichten, die wir wahlweise gelesen haben. Jede von uns ist beeindruckt, von der enormen Reife, die in jeder dieser Kurzgeschichten zu spüren ist. Es erstaunt uns, wie präsent und aktuell die Geschichten noch immer sind.

Zum Buch

Das Gesamtwerk – rororo Taschenbuch
1949
ISBN 3 499 12883 7