Bewertung: 5

Heinrich Böll – Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Bewertung: 5 Kronen

 

Katharina Blum, eine Hausangestellte, geht während der Fasnacht zu einer Hausparty ihrer Patentante, trifft dort Ludwig Götten, verliebt sich und verbringt mit ihm die Nacht in ihrer Wohnung. Am nächsten Morgen wird die Wohnung von 8 Polizisten gestürmt, da Götten ein gesuchter Dieb und Deserteur war. Dieser ist am frühen Morgen durch die Heizungsschächte entkommen. Aufgrund der aktuellen politischen Lage verwandelt die ZEITUNG Götten in einen Terrorist und Katharina Blum eine Nutte, die ihm zur Flucht verholfen hat. Nach dieser Entehrung und Entwürdigung tötet Katharina Blum den Journalisten Tötges.

Personen, positive, wohlklingende Namensgebung:
Katharina – Blum Hauptperson die Reine – die Blume
Ludwig
Götten ihr Geliebter wird von Katharina wie ein Gott verehrt
Else Woltersheim
Patentante rheinischer Name, vermittelt Geborgenheit
Konrad Beiters ihr Freund ex-Nazi, Besitzer der Mordwaffe
Hubert Blorna Rechtsanwalt in Katharina verliebt, Händchenhalter
Trude Blorna dessen Frau rote Wühlmaus, Kreml-Tante, rote Trude
Walter Moeding Polizist Beizemanns Assistent
Herr + Frau Hiepertz Rentnerehepaar
Georg Plotten Verwaltungsangestellter Gäste an Hausparty
Hedwig Plotten seine Frau Gäste an Hausparty
Hertha Scheumel Cousine von K.B. bringt Götten zur Party
Claudia Sterm Cousine von K.B. bringt den Scheich zur Party (Polizist)
negative Namensgebung mit Zischlauten und „ch“ geprägt:
Kurt Blum Bruder K.B. aktuell im Gefängnis
Wilhelm Brettloh Ex-Mann von K.B. Steif und unbeholfen wie ein Brett
Peter Hach Staatsanwalt
Dr. Korten Staatsanwalt
Zündach
Pletzer Polizistin
Erwin Beizmenne Kriminaloberkommissar beissender Mann oder Säure
Werner Tötges Journalist erinnert an Tod oder töten
Adolf Schönner Bildjournalist Scheich, der umgebracht wurde von Andalusierin
Altbauer Meffel aus dem Heimatdorf Muffel
Alois Sträubleder K.B. stäubt sich gegen ihn
Lüding
„Goldente“ Restaurant der Journalisten verbindet Geldgier und Falschmeldungen

Über den Autor

Heinrich Böll wurde am 21. Dezember 1917 als achtes Kind des Tischlermeisters Viktor Böll und dessen zweiter Frau Maria geboren. Er wird katholisch und humanistisch erzogen und beginnt nach dem Abitur eine Lehre als Buchhändler, die er aber abbricht. Er verdient zu wenig Geld… 1939 schreibt er sich für Germanistik und Alte Philologie an der Universität Köln ein. Im Sommer wird er in den Kriegsdienst eingezogen und kämpft in Polen, Frankreich, Russland und Rumänien. Er wird mehrfach verwundet und erkrankt an Typhus. 1942 heiratet er seine Jugendfreundin Annemarie Cech.

Kinder: Christoph (geb. 1945, stirbt bald nach der Geburt), Raimund (geb. 1947, gest. 1982) und René (geb. 1948), Vincent (geb. 1950).

Böll wird nach dem Krieg Hilfsarbeiter, schreibt sich erneut an der Uni ein um Lebensmittelkarten zu erhalten und arbeitet dann beim Statistischen Amt in Köln. Seit 1951 betätigt er sich als freier Schriftsteller. 1954 hält er sich für längere Zeit in Irland auf. 1962 bereist er die Sowjetunion. Er engagiert sich für die Friedensbewegung und gegen die Notstandsgesetze, welche 1968 in Kraft gesetzt wurden um die Handlungsfähigkeit des Staates in Krisensituationen (Naturkatastrophen, Aufstand, Krieg) zu sichern. Dabei konnten die Grundrechte (Briefgeheimnis) eingeschränkt werden ohne dass ein Rechtsweg gegeben wäre. Von 1970 bis 1972 ist er Präsident des internationalen PEN-Zentrums (PEN = Poets, Essayists, Novelists / Schriftstellervereinigung). 1972 erscheint ein sehr kontrovers diskutierter Artikel über Ulrike Meinhof. 1976 treten er und seine Frau aus der katholischen Kirche aus und drei Jahre später lehnt er das Bundesverdienstkreuz ab.

Heinrich Böll stirbt am 16. Juli 1985 mit nur 68 Jahren.

Er gilt als einer der bedeutendsten Schriftsteller der deutschen Nachkriegsliteratur.

Rezeption des Buches

Die Erzählung polarisierte. „Die Welt am Sonntag“ stellte die Veröffentlichung ihrer Bestsellerliste ein, weil die K.B. auf den vorderen Plätzen rangierte. „Auch mächtige Imperien sind nicht immer so souverän wie sie tun“, schrieb Böll dazu 10 Jahre später.

Böll wurde Sympathisantentum unterstellt, dass er sich für die Baader/Meinhof-Terroristen engagiere. Böll weist das von sich. Es geht ihm um die Streitschrift gegen die Macht des Boulevard-Journalismus und um den sorgfältigen Umgang mit der Sprache. (Beispiel S. 30-31: Korrektur von K.B. des Protokolls wegen ihres Verständnisses von „Zudringlichkeit“ und „Zärlichkeit“ / „gütig / nett / gutmütig“) und der Wahrheit (Beispiel: S. 116 – 121, Wieso der Vater von K.B. als Kommunist bezeichnet wird). Zeitweise lässt sich ein starker Sarkasmus oder gar Satire erkennen (Beispiel: S. 101 Ist die psychiatrische Betreuung …. der „Telefonzapfer“ …. gewährleistet? und S. 82: … sie hat das VERTRAUEN der Zeitung missbraucht, indem sie eine ZEITUNG herausnahm, ohne zu bezahlen!“) Auch übt Böll Kritik an der Institution Kirche und deren Vertreter (Beispiel S. 120: Pfarrer „riecht“, dass der Vater Kommunist war und auf die kritische Nachfrage von Blorna veweist er auf dessen Gehorsamspflicht, was dieser nicht verstand).

Vom schriftstellerischen Gesichtspunkt aus wurde die Erzählung als „plump, hemdsärmlig und konstruiert“ bezeichnet. Die „Primitivsymbolik“ wird ebenfalls angeprangert.

Auswahl der Preise:

1951 Auszeichnung durch die „Gruppe 47“

1952 René-Schickele-Preis

1955 bester ausländischer Roman der französischen Verleger

1957 Eduard-von-Heydt-Preis

1972 Nobelpreis für Literatur

1983 Ehrenbürger der Stadt Köln

Diskussion zum Thema

Gräfin 5: Das Buch hat ihr von Anfang an gefallen. Einstieg war mit Wortfindung und Protokoll geeigeen.t hat sei nicht gestört mit der Sprache. Journalistenstil, hat hinterfragt, hat sie

Hat Geschichte gekannt, hat noch nie gelesen. Es war ihr nicht klar, wieso sie ihn erschossen hat. Heute wächst mehr Gras über Sachen. Heute kannst du aber die Sachen googlen. Schnelllebiger heute. Ob man aber heute Ehre verliert? Man vergisst, was im Mai in der Zeitung war. Ablauf war stimmig. Sie hat eigentlich keinen Herrenbesuch gewollt. Es war nicht nachvollziehbar wieso sie Götten geholfen hat. Nach 1 x Tanzen hilft sie ihm, hilft ihm zur Flucht. K.B. war nicht fassbar.

2. Mord kam ihr zu wenig vor. Eine wirkliche Mörderin war vorhanden, wurde aber ignoriert. Sie hätte mehr Gewicht darauf haben wollen. K:B. wird fertg gemacht, die andere wird nicht verfolgt. War wohl nur ein Beziehungsdrama. Sprache hat ihr irrsinnig gefallen. Humorvoll. Bumst, Telefonzapfer mit der psychiatrischen Betreuung. Das war Hammer. Die rote Trude war herzerfrischend. Böll beherrscht Sprache. Hat sehr gerne gelesen. Blorna stinkt die Situation, er fängt selbst an zu stinken.

Gräfin 2: Kannte den Titel des Buches, hatte es noch nie gelesen. Begann, und stolperte über den Stil, meinte es ist ein Vorwort. Die Kapitel erwiesen sich aber als Geschichte. Zu Beginn fand sie es hart, sehr viel purzelte gleich auf einen ein. Je länger sie las, des mehr Tempo entwickelte sich, und zog ihr den Ärmel ein. Sie fand es erschütternd. Dieses Ausgeliefertsein, das Machtlose, das fand sie so schlimm. Es kann nicht rückgängig gemacht werden. Man kann es zurechtrücken, aber es bleibt etwas hangen. Wenn man in diese Maschinerie gerät, ist man verloren. Sie verstand die Reaktion von K. B. Sie muss etwas tun. Die Sprache gefiel ihr, diese Einfachheit. Zeitungen schrieben oder schreiben plakativ, dann war seine Wahl der Sprache, diese Einfachheit gut. Passte. Gefiel ihr sehr gut. Las es sehr schnell. Nicht Vergleichbar mit etwas anderem .

Gräfin 1: Ansichten eines Clowns ist eines ihrer Lieblingsbücher und fand sich deshalb mit der k. B. nicht so zurecht. Journalistensprache, es holperte mit den kurzen Kapitel. Aber es war wunderbar, ein ganz tolles Buch. Die Sprache, die er anwendet, beschreibend, analytisch. Diese Tragisch, hätte sie nicht ertragen, wenn er persönlichere Sprache angewendet hätte. Er wählte das Stimmittel der Reportage, blieb aussen vor, und so war die Geschichte erträglich. Stimmiges Buch, trotz allem konnte sie noch lachen. „..dann hat’s gebumst!“ Wunderbare Formulierungen. Faszinieren, ging runter wie Schokolade. Am Anfang ein Gewürge, und dann wird’s so schön. Genoss das lesen. Danke!

Gräfin 3: eigentlich hatte sie gar nicht Lust, d s Buch zu lesen. Den 1. Teil fand sie holprig, das Bild ist den Wasserläufen war zwar toll, aber kam kaum übe r die erste Hälfte hinaus. Aber je weiter das Buch ging, desto mehr kam Fluss herein. Am Anfang waren viele Stauungen, zum Lesen nicht so fliesend, nachher gingen die Gedanken besser. Er entwickelte mehr. Die Story könnte man ja eigentlich auf ein paar Sätze herunter brechen. Jedoch ging es um die Entwicklung. Man muss den Titel ansehen, auch den Untertitel. Die Handlungen sind frei erfunden, Ähnlichkeiten sind weder beabsichtig noch zufällig, sondern unvermeidlich. Eigentlich ist es ja eine Abrechnung. Mit dem Boulevardournalismus. Inhaltlich versöhnte sie die Story. Fand es im Grossen und Ganzen gut. Die Verbindung zu heute zu ziehen ist da. Heute geht’s noch schneller, jemanden fertig zu machen, elektronisch! Schlagzeilen, reisserisch, um den Verkauf zu fördern, gilt noch immer. Nun ist’s eine andere Zielgruppe. Statt Terroristen sind’s die Ausländer. Jemanden anzufeinden findet man immer.

Gräfin 4: Fing ewig nicht mit Lesen an. Kam gut rein, der Fluss erfasste sie sofort. Alles ergab sich, aber nach dem 1. Drittel hätte sie es wegpfeffern können. Sie wir immer stinkwütend. Es macht sie kirre. Beat war auch grad in der Zeitung, und immer nur kommt die eine Seite, die Negative in die Zeitung. Man hat dann einfach den Stempel. Sie litt mit K. ., wie sie nicht aus der Tretmühle kam. Sie ziehen negative Meinungen heran, positive werden ins umgekehrte gedreht. Im 2. Drittel gab’s ihr ein Kuddelmuddel mit den Personen. Sie fand sich nicht zurecht, mit den plakativen Namen „rote Trude“, fand sie sich am besten zurecht.

Das beste war der Schluss, 10 Jahre später, das versöhnte sie ein wenig. Blümchen willst du bumsen‘ Dann hat’s gebumst, das war genial! Weil sie aber die Pistole am Abend vorher holte, war der Mord geplant. Nein, es ist keines ihrer Lieblingsbücher.

Gräfin 6: Erschienen 1974, protokolliert dieser Roman eine Geschichte, die auch heute handeln könnte. Menschenverachtende, sensationsgeile Presse, die Aussagen verdreht, lügt, und Details schamlos aufbläst, um die Leser zu füttern und bei der Stange zu halten. Was daraus werden kann, ist von Böll gut, aber zuweilen etwas trocken aufs Papier gebracht. Die kurzen Kapitel haben für mich das Lesen nicht unbedingt erleichtert, hatte daran zu beissen, war etwas zäh.

Zitate

Gräfin 1

S 131

Es ist natürlich äußerst bedauerlich, dass hier zum Ende hin so wenig Harmonie mitgeteilt und nur sehr geringe Hoffnung auf solche gemacht werden kann.

Gräfin 3

S. 129

Da gibt es Typen, die sich das Frühstück oder das Mittagessen sparen, und wie die Geier über das Buffet herfallen – aber ich möchte natürlich damit die Geier nicht beleidigen.

Gräfin 4

S. 141

kurz gesagt sie zieht sogar die Wahrheit in den Dreck, wenn sie sie wahrheitsgemäss wiedergibt.

Gräfin 5

S. 135

Aber dieser Kerl – und dann „Bumsen“, und ich dachte, gut, jetzt bumst’s!

Gräfin 2

S. 141

…wenn sie schreiben würden die Rosen blühen wieder, würden mich Zweifel befallen, auch wenn ich vor einem blühenden Rosenbeet stünde.

Zum Weiterlesen

1949 Der Zug war pünktlich (Erzählung)

1950 Wanderer, kommst du nach Spa… (Kurzgeschichten)

1951 Wo warst du Adam? (Roman)

1953 Und sagte kein einziges Wort (Roman)

1954 Haus ohne Hüter (Roman)

1955 Das Brot der frühen Jahre (Erzählung)

1955 Unberechenbare Gäste (Satiren)

1957 Irisches Tagebuch

1958 Doktor Murkes gesammeltes Schweigen und andere Satiren

1963 Ansichten eines Clowns (Roman)

1971 Gruppenbild mit Dame (Roman)

1975 Berichte zur Gesinnungslage der Nation

1981 Was soll aus dem Jungen bloss werden (Autobiographie)

1985 Frauen vor Flusslandschaft (Roman)

1986 Die Fähigkeit zu trauern (Schriften und Reden 1984 – 1985)