Bewertung: 5

J. D. Salinger – Der Fänger im Roggen

Bewertung: 5 Kronen

 

Die Geschichte beschreibt vier Tage im Leben des 16-jährigen Holden Caulfield und spielt in der Zeit kurz vor Weihnachten in New York.

Alles in allem ist es die Vorgeschichte eines Nervenzusammenbruches:

Holden ist gerade wieder einmal von einer Schule, diesmal in Pennsylvania, verwiesen worden, da er in vier von fünf Fächern durchfiel. Um seiner Mutter, die immer noch unter dem Verlust seines kleinen Bruders leidet, die schlechte Nachricht noch für ein paar Tage zu ersparen, beschliesst er, vor der Heimkehr nach New York dort noch einige Tage in einem Hotel zu verbringen.

Holden denkt oft an seine Familie: Den kleinen Bruder Allie, der an Leukämie verstarb und seine 10-jährige Schwester Phoebe liebt und verehrt er. Zum grossen Bruder D. B., der in Hollywood als Drehbuchautor arbeitet, hat er ein gespanntes Verhältnis. Eigentlich bewundert er ihn, mag aber nicht, dass er Filme schreibt. Holden hasst Filme. Er bezeichnet sie als verlogen, wie die meisten anderen Dinge in seinem Umfeld auch. Die Erwachsenen sind für ihn ebenfalls verlogen und unecht.

Nach einem Disput mit seinem Zimmernachbarn verlässt Holden das Internat und fährt nach New York. Dort quartiert er sich in einem Hotel ein und versucht, mit verschiedenen Bekannten telefonisch Kontakt aufzunehmen. Seine Schwester ruft er nicht an, aus Angst, die Eltern könnten am Telefon sein. Mit dem Taxi fährt er in einen Club, kehrt aber nach kurzer Zeit gelangweilt ins Hotel zurück. Der Liftboy überredet ihn, ihm eine Prostituierte aufs Zimmer zu schicken. Es kommt zu keinerlei Intimitäten, aber der Page und die Prostituierte tricksen ihn aus und er wird zusammengeschlagen. Am nächsten Morgen verlässt Holden das Hotel und vereinbart ein Treffen mit einer alten Freundin. Sie verkrachen sich und Holden geht wieder. Am Abend verabredet er sich mit einem alten Schulfreund in einer Bar. Auch mit ihm verscherzt er es sich und schliesslich betrinkt sich Holden in der Bar und landet schliesslich im Central Park beim Ententeich. Der Gedanke an seine Schwester bringt ihn dazu, nach Hause zu gehen, wo er die schlafende Phoebe weckt und sich mit ihr unterhält. Die Eltern sind nicht zuhause, kommen aber heim und Holden flieht unbemerkt. Er nimmt Kontakt zu seinem ehemaligen Englischlehrer auf, um die Zeit bis Mittwoch zu überbrücken. Bei ihm findet er Obdach. Als der Lehrer ihn mitten in der Nacht am Kopf berührt, erschrickt Holden und verlässt die Wohnung. Er verbringt den Rest der Nacht in einer U-Bahn-Station. Am nächsten Tag, beim ziellosen Umherstreifen, entschliesst er sich, nicht mehr nach Hause zurückzukehren. Er lässt er Phoebe einen Zettel zukommen, um sich mit ihr noch ein letztes Mal zu treffen. Phoebe bringt einen Koffer mit und will mit Holden mitgehen. Daraufhin beschliesst Holden, seinen Plan aufzugeben und heimzukehren.

Die Personen:
Holden Caulfield: 16 Jahre, 1.89m gross, mager, teilweise graue Haare, Kettenraucher
D.B.: Bruder, Drehbuchautor in Hollywood
Allie: Bruder, vor einigen Jahren an Krebs gestorben
Phoebe: Schwester, 10 Jahre, rothaarig
Mr. Spencer: Geschichtslehrer in Pencey
Ackley: Zimmernachbar
Stradlater: Zimmergenosse, hat Rendezvous mit:
Jane Gallagher: alte Freundin, Golf- und Dame-Partnerin
Bernice, Marty und Laverne: Mädchen in der Lavender-Bar
Ernie: Pianist in der gleichnamigen Bar
Maurice und Sunny: Liftboy und Prostituierte
Sally Hayes: alte Bekannte, hübsch
Carl Luce: alter Schulfreund
Mr. Antolini: Holdens ehemaliger Englischlehrer

Über den Autor/die Autorin

Jerome David Salinger wurde am 1. Januar 1919 in New York geboren. Er gilt als das grösste lebende Schriftsteller-Phantom. Seit 54 Jahren gibt es von ihm kein öffentlich gesprochenes Wort, seit 44 Jahren keinen neuen Text.

Salinger war ein mittelmässiger Schüler. Er verliess vorzeitig die McBurney School in Manhattan. Nach dieser Privatschule besuchte er die Kadettenschule Valley Forge Military Academy in Pennsylvania. Dann die Ursinus University, wo er als Kolumnist tätig war. Nach nur einem Semester kehrte er nach NY zurück, an die Columbia University. Von da an schrieb er Kurzgeschichten, die auch in Zeitungen erschienen. 1942 meldete er sich freiwillig als Soldat, wurde wegen eines Herzfehlers aber anfangs nicht genommen. Später war er bei der Invasion der Alliierten in Frankreich dabei. Dort lernte er Hemingway kennen.

1947 kehrte Salinger nach einer längeren psychotherapeutischen Behandlung nach Amerika zurück. Seinen eigentlichen literarischen Durchbruch erreichte er 1948 mit der Veröffentlichung von 3 Erzählungen im „New Yorker“: „A perfect day for Bananafish“, „Uncle Wiggily in Connecticut“ und „Just before the war with the Eskimos“.

Nun stand er beim „New Yorker“ unter Vertrag. Weitere Erzählungen folgten. „Der Fänger im Roggen“ erschien am 16. Juli 1951. Der Anfangserfolg war bescheiden. Es gab anfangs viel Ablehnung. Später hielt sich der Roman aber 29 Wochen auf der Bestsellerliste der „New York Times“. Der Erfolg des Romans wuchs stetig und gleichzeitig fing der Rückzug Salingers aus der Öffentlichkeit an. Er erschien nicht zu Preisverleihungen und Ehrungen und floh schliesslich in ein abgelegenes Dorf in Connecticut, wo er heute noch wohnt.

Da drängen sich doch einige Parallelen zu Holden Caulfield auf!

Zum Roman „Der Fänger Im Roggen“ gibt es eine Unmenge Hintergrundmaterial, Interpretationen, Querverweise, Vergleiche.

Ein Beispiel: Holdens rote Jagdkappe. Er setzt sie verkehrt auf: Hinweis auf die pubertäre Ablehnung der Erwachsenenwelt. Erst zum Schluss, als er „erwachsen“ entscheidet, nach Hause zurückzukehren, setzt er die Mütze richtig auf. Die rote Farbe passt zur Haarfarbe seiner am meisten geliebten Menschen: Phoebe und Allie…

Diskussion zum Thema

Zuerst wir festgehalten, dass die Übersetzung nicht von Heinrich Böll ist, sondern von Heinrich Böll bearbeitet wurde. Wir haben mit zwei verschiedenen Übersetzungen gearbeitet. Das ergab ganz frappante Unterschiede, die Fluchwörter wurden in der neueren Ausgabe abgeschwächt.(42. Auflage 1986; 44. Auflage 2002, aktuell: Auflage vom April 2008)

Gräfin 2: Sie ist erstaunt, wie süffig das Buch war. Sie hat mal gelesen, dass sogar Attentäter das Buch bei sich hatten! Es ist ein sympathisches Buch, aber sie hat es nicht ins Herz geschlossen. Doch im Buch war es immer kalt und feucht. Es kam gar nie vorweihnachtliche Stimmung auf.

Sie mochte Holden Caufield, den Protagonisten aber sehr gerne. Er erinnerte sie an früher. Die pubertären Anwandlungen konnte sie gut nachvollziehen. Wir sind sowieso alle nah dran, weil wir täglich mit Kindern in diesem Alter zu tun haben. Ausserdem war sie einfach froh, das Buch endlich mal gelesen zu haben. Es stand schon lange bereit in ihrem Bücherschrank!

Sie dachte, das Buch handle in den 60er Jahren, so hippi-mässig kam es daher. Es erschein ihr ganz aktuell. Dabei ist es 1951 erschienen. Erstaunlich, oder?

Gräfin 4: Sie hat sich zuerst sehr schwer getan mit der Lektüre. Sie wusste zu Beginn überhaupt nicht, worum es ging. Als sie konzentrierter zur Sache ging, fand sie es ganz spannend. Sie empfand dann das Buch als süffig und gut. Trotzdem würde sie es nur bedingt weiterempfehlen, für sie bleibt ein bitterer Nachgeschmack.

Gräfin 1: Sie hat das Buch in zwei Tranchen gelesen. Die Pause machte es ihr extrem schwierig, wieder in Lektüre einzusteigen. Das Buch ist gut, dennoch zieht sie das deutsche Pendent „Die neuen Leiden des jungen W.“ vor. Sie hat beruflich viel mit ähnlichen Jugendlichen zu tun. Es hat ihr deshalb oft weh getan, diese Verstrickungen mitzuerleben. Die Grundstimmung „nichts ist gut“ und das Schicksal von Holden Caufield gingen ihr sehr nah. Doch sie attestiert, dass die Gedankengänge von Holden nicht wirklich authentisch waren. Die Gedanken waren zu erwachsen, zu abgehoben. Es war für sie ein strenges Buch zu lesen. Zwar gefiel es ihr, aber es war keine leichte, gefreute Lektüre. Holden tat ihr leid. Er war so einsam. Deshalb war es emotional stressig. Die Sprache war spannend.

Gräfin 3: Erstmals las sie das Buch Anfang 20. Damals war sie total begeistert und fand die Geschichte total cool. Bis heute ist ihr die Szene mit den Enten unvergesslich. Jetzt hat sie englisch7deutsch parallel gelesen. So war es wiederum extrem spannend. Noch immer sieht sie dein Elend, die tiefe seiner Verstrickungen. Aber heute war ihr Blickwinkel ein anderer als vor 20 Jahren. Denn man entwickelt sich halt weiter. Sie sah, dass Holden nur seine Meinung gelten liess, nur seine Ansichten sind richtig. Alles andere erkläre er als verlogen. Sie empfand das Buch im Gegensatz zu den vorherigen Gräfinnen nicht bedrückend, es ging ihr nicht so nah, sie kannte ja das Ende.

Die Hauptfigur war sehr unreif. Er hat zwar viele Gefühle, macht aber nichts draus. Die Beziehung mit J.B. Jane war asexuell und als sein Zimmergenosse mit ihr ausgeht, flippt holden aus. Gofen findet er gut, deshalb rastet er auch so aus, weil Jane die Liga wechselt und nun vor ihm erwachsen wird. Nach dem Ausraster kriegt er emotional die Kurve nicht in die Erwachsenenwelt. Alles in allem ein spannendes Buch. Die wichtigsten Textpassagen blieben dieselben wie vor 20 Jahren. Sie freut sich immer wieder, ein Buch wie dieses in der Gemeinschaft der Gräfinnen zu lesen.

Gräfin 6: Mit ihren zwei Jungs zu Hause war es für sie nicht so schwierig, in die Geschichte zu finden und die Charaktereigenschaften nachzuvollziehen. Im „Nicht-wissen-was-wollen“ ähneln sich der Protagonist und ihre Jungs. Er war einsam. Mit allen wollte er etwas Trinken gehen. Das war sehr elend mitzuerleben. Holden tat ihr leid, ist ihr aber nicht ans Herz gewachsen. Sie hätte sich das Buch nicht gekauft. Die Geschichte interessierte sie nicht besonders. Es war aber süffig und einfach zu lesen. Über einige Ausdrücke hat sie sich köstlich amüsiert und sie sich sogar aufgeschrieben. Sicher ist das Buch anders zu geniessen, wenn man jung ist, cooler, als Erwachsener sieht man die Situation nüchterner.

Gräfin 5: Ihr hat das Buch gefallen, sie hatte Freude am Lesen. Super, dass dieses Buch bei den Gräfinnen Aufnahme fand. Schon lange stand es bei ihr zum Lesen bereit. Für sie ist „Die neuen Leiden des jungen W.“ das Original, und „Der Fänger im Roggen“ die amerikanische Adaption.

Sie hatte Mühe mit dem Schmuddelzeug. Die Szene mit dem Pickel im Gesicht hat sie sehr geekelt. Holden hätte ihr im echten Leben nicht gefallen. Er war ein komischer Kauz und sah alle Leute als schräg an. Er ist typisch pubertär, schwankt hin und her zwischen erwachsen und kindisch. Er hat den definitiven Schritt noch nicht gemacht in die Erwachsenenwelt. Die Lehrer sehen, dass er zwar nicht der Norm entspricht, dass aber etwas in ihm stecken muss, das noch nicht zum Vorschein kommt. Mr. Antolini meint es gut mit ihm und gibt ihm gutgemeinte Ratschläge. Es kommt zu einem grossen Missverständnis. Oder ist es einfach so, dass Holden nicht mit Zärtlichkeit/Zuneigung zurecht kommt, weil er zu Hause keine erhalten hat? Phoebe seine Schwester gibt ihm die Verantwortung fürs Leben zurück. (die Szene mit der Mütze)

Zitate

Gräfin 4: S. 208 (neue Ausgabe)

Gräfin 3: S. 11 I know that sounds mean to say, but i don’t mean it mean.

Gräfin 1: S. 27 (Neue Ausgabe) „Ich würde keinem viel Glück hinterherschreien. Es klingt furchtbar, wenn man sich’s recht überlegt.“

Gräfin 6: S. 93 (neue Ausgabe) Ausserdem waren nur sehr wenig in meinem Alter da. Eigentlich war niemand in meinem Alter da.

Gräfin 5: S. 58 (alte Ausgabe) Mütter sind nie ganz bei Trost.

Gräfin 2: …

Krönchen: 5