Bewertung: 4

Simone de Beauvoir – Alle Menschen sind sterblich

Bewertung: 3 Kronen

 Alle Menschen sind sterblichÜber das Buch

Eine Rahmenhandlung, die kurz nach dem Krieg in Paris beginnt. Die Schauspielerin Regine träumt davon, „unsterblich“ zu sein. Sie trifft Raymond Fosca, der ihr seine Lebensgeschichte erzählt, die 1249 in der italienischen Kleinstadt Carmona beginnt. Fosca ist unsterblich. Sein Leben führt ihn als Fürst von Carmona im mittelalterlichen Italien zu Karl dem Fünften, er ist bei den Entdeckern in Amerika und forscht in Frankreich im 18. Jahrhundert. Zu guter Letzt ist er Mitstreiter während der Französischen Revolution, dies zusammen mit einem seiner Nachkommen.

Mit Fosca, dem ungewöhnlichen Helden des Romans, erleben wir sechs Jahrhunderte europäischer Geschichte in blutigen Schlachten und abenteuerlichen Ereignissen. Foscas wechselvolle Schicksale lassen in ihm die tragische Erkenntnis reifen, daß die Sehnsüchte der Menschen ewig unerfüllbar und ihre Hoffnung immer vergeblich sind.

Wir erfahren, wie unendlich ermüdend, fade und desillusionierend es sein könnte, wenn man unsterblich wäre. Dieselben Fehler, dieselben Menschen, dieselben Taten, dieselben Lieben, immer wieder der Verlust von Menschen… Nein, auch Regine bleibt am Schluss der Geschichte nur noch eines übrig: zu schreien!

Im Detail

Prolog: Die Gräfinnen finden den Teil zu lang, es gibt zu viele Namen, aber eigentlich ist es süffig zu lesen. Der Einstieg ins Buch fällt aber nicht leicht.

Zuviele stereotype Figuren kamen vor. Die Männer regten die Frauen zum Denken an. Wie kann sie Frauen als Frauen so darstellen?
Dennoch muss darauf hingewiesen werden, dass dieses Buch gleich nach dem Krieg geschrieben worden ist, und damals die Stellung von Frauen und Männer in der Gesellschaft noch anders gewesen sei. Zudem müsse dieser Prolog etwas leicht und oberflächlich sein, da Fosca die Welt so empfindet. Als etwas nicht Gehaltvolles.

Wir setzen gemeinsam die Untertitel.

1.Teil: Echtes Leben, Familie und Tod
2. Teil: Weltmacht oder die Erschaffung des Paradieses auf Erden
3.Teil: Der Forscher und Entdecker, Leben mit Freundschaft
4. Teil: Liebe, um lebendig zu sein
5. Teil: Unterstützung der Nachkommenschaft als Revolutionär

1. Teil: Raimondo Fosca, geboren am 12. Mai 1279 (warum dieses Datum???)
Die Gräfinnen empfinden diesen Teil als machtvoll, Fosca wurde bewundert und gehasst, es ist ein sehr männlicher Teil voller Stolz und Überheblichkeit. Der Mars, der Stier, die Kämpfe dominieren. Fosca ist unnachgiebig, sein Sohn Tankred hasst ihn. Fosca erhält einen Trank (aus Ägypten), der ihn unsterblich macht.

Nach dem Tod seiner Frau Caterina und seines Sohnes Tankred (Pest) versucht er noch einmal, Familie zu haben. Laura schenkt ihm einen Sohn, den er Antonio nennt . Aber auch dieser stirbt jung.

2. Teil: Hier will Fosca mit Karl V den lieben Gott spielen. Er erlebt das absolute Triumphgefühl, ist auf dem Höhepunkt seiner Männlichkeit. Jetzt hat er erreicht, was er wollte.

Zitat: S. 222: Die Welt gehört für immer mir, sie gehört mir allein; sie ist mein Reich, das niemand mit mir teilen wird. Karl wird einige Jahre regieren, aber vor mir liegt die Ewigkeit.

Fosca stirbt im Geist, sieht ein, das Streben nach Macht nichts bringt, was einmal aufgebaut war, stürzt wieder ein. Das ist für ihn so nicht mehr reizvoll. Erstmals stellt er sich der Reflektion, sieht ein, dass der Traum vom ewigen Leben eine Illusion ist, dass es nichts bringt. Das Paradies auf Erden zu schaffen, mit mehr Lebenserfahrung als üblich, ist nicht möglich, weil die Menschen rund herum dieselben bleiben. Der Machbarkeitswahn in ihm ist tot. Er sagt auf seiner Amerikareise, als er die Indianer kennenlernt:

Zitat: S. 279 …das also ist das Reich, das wir zerstört haben, das Reich, das ich auf Erden errichten wollte und nicht zu errichten vermochte.

Fosca beginnt nach seinem Heil zu streben. Perspektive wechselt.

3. Teil: Fosca tritt eine Reise um die Welt an, geht nach Amerika und trifft im Norden Carlier, einen Entdecker und Forscher. Zum ersten Mal erlebt er eine gleichberechtigte Männerfreundschaft. Dieser Teil erschien uns leicht homoerotisch.
Aber er verhält sich seinem Freund gegenüber wieder genauso falsch wie bei seinen Söhnen. Sein unendliches Leben erstickt Carliers eigenes Leben, nimmt es weg, entwertet es. Carlier kann sein Leben nicht aufs Spiel setzen, nicht alles riskieren, weil Fosca das Gefährliche für ihn erledigt. So verliert er die Lebenskraft und stirbt.

4. Teil: Bevor er Marianne trifft, ist Fosca sich selber überdrüssig. Wird bösartig, zänkerisch, dekadent. Was ihn rettet, ist seine Liebe zu Marianne. (Patronin von Frankreich?) Nun ist er sich seines schlechten Benehmens bewusst, nur die Liebe kann ihn retten. Aber eine Frau, die sein Geheimnis kennt, kann mit ihm nicht glücklich sein.

Zitat: S. 331 Was tun wir jetzt? Wohin gehen wir? Und was ich auch tat, wohin ich auch ging, immer war ich da.

5. Teil: Armand, sein Ur-Ur-Urenkel, spricht Fosca auf ihre Familienähnlichkeit an. Kennt die Familiensaga dazu, weiss von dem Mann mit der Unsterblichkeit. Er hat nicht Angst vor ihm. Das reicht Fosca bereits als Freundschaftsbeweis, mehr will er nicht mehr.

Zitat: S. 416 Ich flösste ihm weder Grauen noch freundschaftliche Gefühle ein: er bediente sich meiner, weiter nichts.

Epilog: Fosca erzählt Regine sein ganzes Leben, hat viel Zeit. Sie erträgt es nicht mehr am Schluss. Sie schreit!

Über die Autorin

Simone de Beauvoir

„Man kommt nicht als Frau zur Welt, sondern wird dazu gemacht.“ Dieser Satz von Simone de Beauvoir steht am Anfang unserer Diskussion dieses Abends. De Beauvoir hatte ein spannendes, risikofreudiges Leben mit vielen Reisen an die Brennpunkte der Welt.

Sie hat viel gewagt, auch mit ihrer unkonventionellen Beziehung zu J. P. Sartre, die bis zu seinem Tod hielt. Warum wählte diese Frau aus gutbürgerlichem, erzkatholischen Hause diesen Lebensweg, mit dem sie sich doch sehr exponierte?

War esi genau deswegen, weil sie Geld, Rückhalt Wissen und Beziehungsnetz von zu Hause mitbekommen hat und im Grunde gar nicht sooo viel riskiert hat?

Alle Gräfinnen waren der Meinung, dass das Leben der Simone de Beauvoir schon fast wie ein Roman ist, eine stolze, mutige, kämpferische Frau, die viel für die Frauen in Bewegung gesetzt hat, obwohl sie sich zeitlebens nie als Feministin bezeichnete!

1908 – 25
am 9. Januar in Paris geboren, strenge katholische Erziehung zu Hause und im Mädcheninstitut, Beginn der engen und prägenden Freundschaft mit Zaza (Elisabeth Le Coin), die 1929 stirbt

1925 – 29
Studium der Philologie, Mathematik und v. a. der Philosophie

1929
Beginn der Beziehung mit Jean-Paul SartreAufgrund der erlebten Täuschungen ihrer Eltern weigert sich Simone zu heiraten und hausfrauliche Pflichten zu übernehmen. Die beiden schließen eine Vereinbarung, sich den Normen der bürgerlichen Ehe zu widersetzen. So leben sie zeitlebens getrennt, zumeist in Hotels, und essen in Restaurants. Freiheit – auch sexueller Natur, Selbstbestimmung und Gleichberechtigung stellen für Simone und Jean-Paul das Fundament aller Werte dar.Ehe = „beschränkte Verbürgerlichung und institutionalisierte Einmischung des Staates in Privatangelegenheiten“

1929 – 1943
Arbeit als Privatlehrerin und später als Lehrerin an diversen Schulen,wird während des Krieges aus dem Schuldienst entlassen wegen „Verführung Minderjähriger“ (verteidigte Beziehung einer Schülerin mit einem spanischen Juden)

1940 – 44
bleibt während der dt. Besatzung in Paris und befreundet sich mit Albert Camus, Pablo Picasso

1944
erste Veröffentlichungen

1946
„Tous les Hommes sont mortels“

1949
„Le deuxième sexe“ erscheint – und löst ungeahnt heftige Reaktionen aus.

1947 – 57
Div. Reisen in die USA, Beziehung mit amerikanischem Schriftsteller Nelson Algren

1957
Kampf für algerische Unabhängigkeit, Reise nach Russland und China mit Sartre

1963
Krebstod ihrer Mutter „Une mort très douce“ erscheint

1962 – 66
Beauvoir und Sartre reisen jährlich in die Sowjetunion, wo sie sich systemkritisch u.a. für die Freilassung von inhaftierten Regierungskritikern einsetzen.

1967
Reisen in Krisengebiete (Moskau, Japan, naher Osten), sitzt im Russell-Tribunal gegen Kriegsverbrecher in Vietnam, Als „das Gewissen Frankreichs, Europas, ja des Westens“ wurde Simone de Beauvoir angesehen, als sie und Sartre das Vorgehen der Amerikaner im Vietnamkrieg als militärische Aggression und die Bombardierung ziviler Ziele und die Folterung von Kriegsgefangen und Zivilisten als Völkermord verurteilten.

1970
„La vieillesse“ (Das Alter) wird publiziert. Die Autorin fordert, die Menschenwürde alter Menschen zu gewährleisten, ein Zustand, von dem die meisten Staaten Europas weit entfernt sind.

1974
Präsidentin der „Liga für Frauenrechte“ in Frankreich (bezeichnete sich nie als Feministin)

1980
Am 15. April stirbt Sartre. Beauvoir verfällt in eine tiefe Depression, die auch Arbeit nur teilweise lindern kann. Sie adoptiert die 38 jährige Philosophielehrerin Sylvie Le Bon

1986
14. April S. de Beauvoir stirbt in Paris, beerdigt neben J. P. Sartre auf dem Friedhof Monparnasse

Quelle: http://www.phil-fak.uni-duesseldorf.de/frauenarchiv/ausstellungen/europa/beauvoir/

Beauvoir hat „mit ihren politischen Engagements und privaten Revolten das Bild einer Frau vermittelt, die hoch erhobenen Hauptes gegen die Angepasstheit, gegen die Feigheit und Dreistigkeit der anderen anlebte. Und die dabei nicht auf der Strecke blieb, sondern, im Gegenteil erst wirklich anfing zu leben.“
(Alice Schwarzer, Unser aller Vorbild, in: Emma, Juni 1986)

Kritik

In diesem Buch geht es auch um die Einsamkeit der Menschen im Alter. Es kann auch Glück sein, dass man sterblich ist. Wenn man die Familie, die Kinder, die Freunde überlebt, wird man alleine sein.
Indem man Kinder auf die Welt stellt, hat man einen Teil seines Dasein-Zwecks erfüllt, die Rasse stirbt nicht aus! Man kann getrost abtreten. Man geht weiter, durch die Gene, durch Gedanken, Taten, einfach namenlos.

Alle, die von der Unsterblichkeit Foscas hörten, haben ihn darum benieden, zuerst, wendeten sich dann aber von ihm ab.

Frage: Warum hat Fosca nichts gegen seine Unsterblichkeit genommen?
Zitat S. 117: Es gibt von jeder Sache auch ein Gegenteil, wenn es Gifte gibt, gibt es ein Gegengift.

Trotz längerer Diskussion wurden wir uns in diesem Punkte nicht einig. Fosca wollte nichts dagegen unternehmen, er forschte nicht danach, es scheint ihm doch nicht ganz unwohl in seiner Haut zu sein, hat doch noch nicht dazugelernt?

1. :k: :k: :k: :k: Streckenweise sehr gute Unterhaltung, konnte viele Sachen bildlich hinüberbringen. Sie hat es aber lieber, wenn sie Gefühle entwickeln kann mit dem Buch.

2. :k: :k: :k: Sie hat sich mit dem Buch nicht unterhalten. Nur einfach durchgelesen, weil sie musste. Es hinterlässt bei ihr ungute Gefühle. Es war nicht spannend, kein Lesevergnügen. Nichts enthusiastisches. Würde das Buch nicht weiterempfehlen.

3. :k: :k: :k: Ihr hat das Lesen des Buches nichts gebracht. Ganze Abhandlungen über das Krieg führen, das männliche Denken war ihr „zu blöd“.

4. :k: :k: :k: :k: Das Buch hat ihr gefallen, es gibt viele Zitate zu finden. Ihr gefiel besonders, wie sich Regine von der wandelnden Diva zum Grashalm entwickelte…
In ihrer Erinnerung an des Buch war der Abschnitt in Amerika langweilig, diesesmal war es der spannendeste Abschnitt. Sie ist enttäuscht: Sie dachte, das Buch sei feministischer! Aber das Säbelrasseln ewig? Es liest sich, als hätte ein Mann geschrieben. Enthält fast ausschliesslich schwache Frauengestalten.
doch die Zitate, der Wandel der Zeit, die Sicht der Zukunft, viele Gedanken waren toll. Würde das Buch weiterempfehlen.

5. :k: :k: :k: :k: Sie las das Buch mit grosser Begeisterung, aber sobald sie es irgendwo liegen liess, hat sie es vergessen. Es hat sie einfach nicht richtig gepackt! Die Figuren hatten kein Leben, kein Blut in den Adern. Man konnte nicht richtig mitgehen, nur zusehen. Deshalb grosser Abstand zu der Geschichte. Das Buch würde sie weiterempfehlen.

6. :k: :k: :k: Die Geschichte war ihr zu langatmig, es gab zu viele stereotype Figuren, sie entwickelten sich zu wenig. Das Thema an und für sich wäre sehr spannend. Was macht das Leben lebenswert? Sie ist froh, dass sie es mit uns zusammen gelesen hat, sonst hätte sie aufgehört.

Keine von uns hätte das Buch aus eigenem Antrieb fertig gelesen.

Lieblingszitate

S. 12
„Ach! dachte sie, könnte ich doch aus zwei Wesen bestehen, einem, das spricht, und einem, das zuhören kann, einem, das lebt, und einem anderen, das nur zuschauen darf: wie würde ich mich lieben!.“

S. 84
“Man braucht viel Kraft, viel Stolz und sehr viel Liebe, um zu glauben, dass die handlungen eines Menschen wichtig sind oder dass das Leben stärker ist als der Tod.”

S. 145
„Unter dem Himmel ohne Gesicht reckte ich mich auf, lebendig, frei und für immer allein.“

S. 271 „Sie lehnten es ab, sich taufen zu lassen, um nicht die guten Spanier im Himmel wieder zu treffen.“

S. 285
„Es gibt nur ein einziges Gut: nach seinem Heil zu streben:“

S. 319
„Ich muss fühlen, das ich lebe,… und wenn ich darüber sterbe.

S. 368
„…wie gerne wäre ich der gewesen, den sie in mir sah.“

S. 456
„Und von der Stunde an, wo man geboren wird, fängt man schon an zu sterben. Aber zwischen Geburt und Tod liegt doch eben das Leben.“

Zum Buch

Alle Menschen sind sterblich; Simone de Beauvoir
rororo 35. Auflage April 2004
Rowolt Taschenbuchverlag, Reinbeck bei Hamburg, Juli 1970

ISBN 3 499 11302 3
(„Tous les hommes sont mortel“ )